Im Land der gefiederten Schlange
hässlich aus.«
Sie blickte an sich hinunter. Fraglos hatte er recht. Sie packte eine Strähne ihres grässlichen Haars und riss daran. »Es tut mir leid«, sagte sie.
»Ruf Rosa, die soll die Schweinerei beseitigen.«
»Rosa hat frei. Es geht ihrer Mutter nicht gut.«
»Maria und Josef, wozu bezahle ich das Weibsstück?«
»Lass gut sein«, sagte sie und ging, um die Kehrschaufel zu holen. Als sie die Scherben auffegte, musste sie noch einmal würgen, doch ihr Magen war leer.
»Hörst du mir jetzt endlich zu?«
Katharina nickte.
»Ich habe gesagt, ich muss fort. Ich habe nicht gemeint, ich gehe in eine Schlacht und komme, so Gott will, hierher zurück. Ich gehe mit dem Kaiser fort.«
Du hast jeden Satz mit »Ich« angefangen, durchfuhr es Katharina. Obwohl sie nichts gesagt hatte, biss sie sich auf die Lippe.
»Die entscheidende Schlacht steht bevor«, fuhr Valentin fort. »Wir verlassen Mexiko-Stadt, um unser Hauptquartier an einem geeigneten Ort einzurichten und die beiden Heere des Feindes einzeln zu schlagen. Dem Kaiser wurde angeraten, seine europäischen Truppen hierzubelassen, aber ohne einen einzigen Vertrauten kann nicht einmal er dieser Herkulesaufgabe ins Auge sehen. Er hat mich gebeten, ihn zu begleiten, und ich werde voll Stolz an seiner Seite sein.«
Wie schon oft dauerte es eine Weile, den aufgeblasenen Worten die Luft auszulassen und zu erfassen, was als Inhalt darin steckte. »Wohin gehst du?«, fragte sie endlich. Als sie in seine Augen sah, fand sie die Todesangst, die er so mühsam verbarg.
»Das musst du nicht wissen.«
»Doch, Valentin.« Sie beugte sich über ihn und küsste ihn auf die zerfurchte Stirn.
»Nach Querétaro.«
Ihr Herz vollführte einen Satz. Als würde man den Namen eines lang vermissten Menschen hören. Sie schloss die Hände um sein gequältes Gesicht. »Ich komme mit dir, Liebster«, sagte sie.
»Das geht nicht!«
»Doch. Wohin du auch gehst, ich komme mit dir.«
Sie spürte die Nägel seiner Finger, die sich in ihr Fleisch gruben. Das, was er nicht aussprach – lass mich nicht allein –, sagte ihr der scharfe Schmerz. Sie schloss die Arme um seine Schultern und wiegte ihn. »Ich lasse dich nicht allein, mein Liebster. Was immer geschieht, ich lasse dich nicht allein.«
Seine Nägel krallten sich noch fester. »Wir kommen vielleicht nicht mehr wieder. Es geht um alles. Um mehr als Leben und Tod.«
Mehr als Leben und Tod konnte es ja nicht geben. Sie küsste ihn. Seine Wangen hinunter rannen Tränen. »Deshalb bleibe ich bei dir«, sagte sie. »Wie kannst du denn denken, ich ließe dich allein?«
Sie mochten das Kristall aus der Zeit ihres Glücks zerschlagen haben, aber sie würden einander nicht alleinlassen. Sie hatten alles verloren, um einander festzuhalten.
»Ist es dir ernst damit? Du kommst mit mir?«
»Ich liebe dich, Valentin. Wo soll ich denn hin ohne dich?«
Er atmete auf. Sie hielt ihn an sich gepresst. Als noch einmal ein Schub der Übelkeit aufkam, schluckte sie, bis das Würgen verebbte.
56
Auf dem Hügel, auf dem Benitos Einheit Stellung bezogen hatte, stand eine Kapelle mit einem Glockenturm. Die Tür war verrammelt. Benito und Ferrante schlugen sie ein, damit die Männer beten konnten. Zudem bot der Glockenturm einen Ausblick über die gesamte Stadt.
Santiago de Querétaro hatte nicht mehr als vierzigtausend Einwohner. Von den Hügeln waren die Häuser, Klöster und Kirchen so fest umschlossen wie von den Fingern einer Faust. Nur ein Idiot oder ein Verzweifelter wählte eine Stadt, die sich von der Höhe aus so leicht in Schach halten ließ, zu seinem Hauptquartier. Maximilian von Habsburg war kein Idiot. Er hatte Santiago de Querétaro gewählt, weil es die letzte kaisertreue Stadt des Landes war.
Kaum angekommen, hatte er seinen fähigsten General, Marquez, den Tiger von Tacubaya, ausgesandt, um im Süden Truppen zu sammeln und die rund neuntausend Mann in der Stadt zu verstärken. Bisher war Marquez nicht zurückgekehrt, und inzwischen hatten sich die republikanischen Heere unter Escobado und Corona vor der Stadt vereinigt und auf den umliegenden Höhen und Pässen verteilt. Ein drittes Heer, das unter dem Befehl von Porfirio Diaz verblieben war, würde den Kampf um die Hauptstadt ausfechten.
Santiago de Querétaro hingegen, vielleicht die schönste Stadt Mexikos, stand unter Belagerung und unter täglichem Beschuss. Bisher war der Einsatz so reibungslos verlaufen, dass es schwerfiel, die Männer zur Wachsamkeit zu
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