Im Land der gefiederten Schlange
können mir schon einmal erzählen, wovon Sie träumen, wenn der ganze Zauber vorbei ist.«
»Ich werde Bauer«, erwiderte Benito, während sein Gehirn sich fieberhaft mit anderem beschäftigte. »Und ab und an vertrete ich in Santiago de Querétaro ein paar Nachbarn, die sich wegen Taubendrecks vor ihren Fenstern verklagen.«
»Oho.« Der Coronel pfiff durch die Zähne. »Es geht doch nichts über einen Mann mit Ehrgeiz. Sind Sie jetzt schön genug? Können wir gehen?«
»Ich komme nicht mit.«
»Sie kommen nicht mit? Sind meine Ohren krank oder Ihr Verstand?«
Benito erhob sich, streifte sein Hemd über und suchte Ferrantes Blick. »Ich verspreche, ich stoße zwei Tage später zu Ihnen. Meine Einheit führt mein Teniente. Dass ich fehle, fällt überhaupt nicht auf.«
»Was Sie nicht sagen. Und was tun Sie in den zwei Tagen? Lassen Sie sich Locken brennen?«
Er senkte den Blick, sah in das hohe, von Kräutern und Farnen durchwucherte Gras. »Ich habe etwas zu erledigen.«
»Ach, und wo? Vielleicht in Veracruz?«
Ohne aufzublicken, schüttelte Benito den Kopf. »In der Hauptstadt. Aber Sie haben trotzdem recht.«
»Soso. Sie wollen also einen Wimpernschlag vor der Entscheidungsschlacht Ihre Truppe verlassen, um mit Ihrem Kinderliebchen zu poussieren. Dass das ein völlig wahnwitziges, unverschämtes Gesuch ist, ist Ihnen bewusst?«
»Ja, mein Coronel.«
»Wissen Sie was? Wenn Sie für Ihre Unverfrorenheit gepeitscht worden sind, haben Sie Ihren Teil noch lange nicht bekommen. Können Sie eigentlich bitte sagen?«
»Ich kann auf die Knie gehen. Ich kann kopfstehen und dabei mit den Ohren wackeln, wenn Sie wollen.«
»Und was tun Sie, wenn ich es Ihnen trotzdem verbiete?«
Benito hob den Kopf. »Dann desertiere ich.«
Der Coronel rieb sich den Bart und ließ ihn nicht aus den Augen. »Auf die Knie«, sagte er dann. »Zumindest den Anblick gönne ich mir. Und nicht länger als zwei Tage, haben Sie mich verstanden? Ich habe Ihr Wort, Alvarez.«
»Ja, mein Coronel.« Benito ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. Ferrantes Hände umspannten seine Schultern und schüttelten ihn. »Sie sind das Verrückteste, Verwegenste und Vermessenste, was mir je untergekommen ist. Es lebe das freie Mexiko. Machen Sie der Señorita Veracruz gefälligst einen Haufen Bälger, wir haben Massen von Leuten verloren. Als Bauer in Ihrem Taubendreck haben Sie ja ohnehin nichts Besseres zu tun.«
Sie vertrug keinen Alkohol mehr. Schon seit Weihnachten nicht. Sie hatte sich einen leichten, spritzigen Weißwein, eine Gabe des Kaisers, eingeschenkt, aber sobald sie daran roch, wurde ihr sterbensübel. Über ihre Pferdegesundheit hatten ihre Vettern Witze gerissen. »Der Kathi kannst du Unkraut füttern. Die bringt nichts um.« Hatte sie sich mit dem Trinken diese prächtige Gesundheit ruiniert? Sie schob den Wein beiseite. Was, wenn kein Alkohol half gegen die ewige Angst, gegen den Abgrund aus Einsamkeit?
Vor ein paar Tagen war Claudius von Schweinitz da gewesen, war an dem Sepp, der ihm drohte, einfach vorbeispaziert. »Ich glaube nicht, dass Sie auf mich schießen möchten«, hatte er gesagt. »Ihr Kaiser würde noch immer gern Geld von mir borgen, er gäbe Ihnen sicher keinen Orden dafür.«
Katharina hatte er erzählt, der Abzug der Franzosen sei so gut wie abgeschlossen. Er und seine Frau würden mit den Kindern nach Tula fahren, falls es in den nächsten Tagen zu Tumulten käme. Sie nähmen eine kranke Frau namens Inez mit, und der letzte Platz in der Kutsche gehöre Katharina. »Ich kann nicht kommen«, hatte sie herausgepresst. »Ich muss hierbleiben. Bitte seien Sie mir nicht böse.«
Mir seinen breiten Schultern und seinem weißen Bart hatte er vor ihr gestanden wie ein freundlicher Bär. »Darf ich Sie einmal in die Arme nehmen, wie ein Vater es täte?« Im nächsten Moment hatte er sie schon an seine Brust gepresst. »Ihnen ist ganz gewiss niemand böse, Sie tapferes Ding. Wir haben nur Sorge um Sie.«
»Wird es denn schlimm werden? Was wird denn geschehen?«
»Das weiß ja kein Mensch, mein Mädchen. Ich denke, es wird nach ein paar Tagen Ruhe einkehren, aber es gibt eben immer Leute, denen Schlimmes widerfahren ist und die nicht wählerisch in ihrer Rache sind. Versprechen Sie mir eines? Meine Tochter und mein Schwiegersohn bleiben in der Stadt. Martina wird als Ärztin natürlich gebraucht, und Felix assistiert ihr, vermutlich sind die beiden ständig unterwegs. Versuchen Sie trotzdem sie zu erreichen,
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