Im Land der gefiederten Schlange
gesagt, spiel mit mir nicht den Trottel. Dass du das verdammte Päckchen unterschlagen hast, kratzt mich nicht, denn ich habe den Idioten Carlos schon hundertmal gefragt, warum er das nicht tut. Ich werde dir sagen, was mich kratzt: dass du es für dich behalten hast. Ich bin Carlos’ Base, mir steht die Hälfte davon zu. Rück sie raus, Juan, und wenn du sie verprasst hast, schaff sie wieder her, oder deine Gaunerei fliegt auf.«
Noch einmal versuchte er die Hände zu heben, da sprang sie auf und schlug ihm ins Gesicht. »Sag endlich die Wahrheit, sprich mit mir nicht wie mit einem dummen Huhn!«
Juan jaulte auf und rieb sich die misshandelte Wange. »Nicht übel, Engelchen. Ein Jucken im kleinen Finger verrät mir: Wer mit solcher Leidenschaft backpfeift, gibt als Nächstes Küsschen.«
»Davon könntest du träumen, bis du schwarz wirst, wenn du’s nicht längst wärst.«
Er lachte. »Meine Seele mag schwarz sein, aber ich schwöre, sobald sie in die Nähe hübscher Mädchen kommt, wird sie blütenweiß. Scherz beiseite. Auch wenn du mich für den leibhaftigen Teufel hältst und mir kein Wort glaubst – ich bin nur ein Mann, und mein Herz ist weich wie das Fleisch von reifen Avocados.« Er ließ die Zungenspitze über seine Lippen gleiten. »Sind sie nicht köstlich, die Avocados, mit Knoblauch und Pfeffer und teurem Öl verzehrt? Ich schwöre dir, Engelchen, wenn ich könnte, würde ich mit solchen Delikatessen deinen Gaumen erfreuen und deinen hübschen Hals mit Schmuck behängen. Leider aber kann ich nichts davon tun, und so geschniegelte Manieren, wie dein Benito sie sich bei den Deutschen erbuckelt hat, besitze ich nicht.«
»Lass endlich Benito aus dem Spiel«, entfuhr es Inez, »ich will von dir nicht mehr, als mir zusteht. Die Hälfte des Päckchens.«
Juan nickte beflissen. »Und wie gern würde ich dir die geben, sogar das Ganze und mich mit Krumen von deinem Tisch begnügen. Aber leider ist die Hälfte von nichts noch immer nichts. In dem Päckchen war nur wertloses Zeug, ob du es glaubst oder nicht. Der Himmel weiß, warum die Alte Geld ausgibt, um solches Gelump nach Querétaro zu schaffen, wo sie ansonsten geizig wie des Pfarrers Köchin ist. Ich hab ihr gesagt, ich risse mir ein Bein aus für sie, wenn sie noch eine Kleinigkeit drauflegen könnte, aber hab ich die vielleicht bekommen? Im Leben nicht! Keinen Centavo mehr als den vereinbarten Hungerlohn, und der hielt nicht lange vor. Von irgendetwas muss ein Mann schließlich leben.«
Inez konnte nicht glauben, was sie vernommen hatte. Das Päckchen, um das seit Jahren ihre Hoffnungen kreisten, war wertlos. Sie hatte vergeblich versucht es Carlos abzuluchsen, und sie versuchte es ebenso vergeblich bei Juan. Dass der Kerl ein Lügner war, stand außer Frage, aber ebenso war klar, dass er in diesem Punkt die Wahrheit sprach. »Was … war denn in dem Päckchen?«, stotterte sie, ohne recht zu wissen, warum.
Juan zuckte mit den Schultern. »Ein paar unleserliche Papiere, Stofffetzen, Kritzeleien und zu allem Unglück eine Strähne Haar.«
»Haar?«
In dem dunklen Verschlag, in dem es nach Ziegenkot stank, trafen sich ihre Blicke. »Eine Strähne dunkler Haare, mit einer Schleife zusammengebunden«, murmelte Juan, und ohne Zweifel dachten sie beide dasselbe: Das Päckchen musste für jemanden von Wert sein, andernfalls würde es nicht auf so weiten Wegen hin und her getragen. Und wenn sich derjenige auftreiben ließ, entpuppte es sich am Ende vielleicht doch noch als Goldgrube.
13
Kathi Lutenburg bekommt alles, was sie will.
Wie Hohn hallten Jos Worte Katharina in den Ohren. So heftig sie dagegen anschimpfte, sie brachte sie nicht zum Schweigen. Nun mach schon, Kathi Lutenburg, zeig uns, wie du es anfängst, oder ist es am Ende doch nur dein Vater, der seiner Prinzessin alles kauft, auf das sie mit dem Finger zeigt?
Es war so gewesen. Sie hatte sich die Nase an einem Schaufenster platt gedrückt, und ihr Vater war in das Geschäft gegangen und hatte ihr das begehrte Gut gekauft. Aber Ben konnte er ihr nicht kaufen. Im Gegenteil. Der Vater war schuld daran, dass sie ihn verloren hatte. Seit jenem schrecklichen Tag vor fünf Jahren waren sie und ihr Vater einander ausgewichen. Der Vater hatte ihr noch immer jeden erdenklichen Wunsch erfüllt, aber er war nie mehr an ihr Bett gekommen, um sie zu trösten, sie hatte nie mehr auf seinem Schoß gesessen, während er ihr ins Ohr flüsterte, dass sie sein Goldpflänzchen sei, an dessen Zweigen
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