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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Pflicht, es zu tun, und vielleicht würde ich es tun, wenn nicht …«
    »Brich nicht ständig ab, sprich aus, was du zu sagen hast!« Dass Ben sie hören konnte, fiel ihr erst ein, als er den Kopf nach ihr drehte.
    »Wenn nicht mein Spiel genauso gefährlich wäre«, erwiderte Stefan und wandte sich zum Gehen. »Pass auf dich auf«, warf er ihr noch hin. »Und wenn du ihn liebhast, auch auf ihn.«
     
    Sie gingen nebeneinanderher, Ben schweigend, Katharina plappernd, er eilig und sie bemüht, mit ihm Schritt zu halten. So wie immer. Sie hatte ihn nicht gefragt, wo er hinging. Vermutlich hätte sie auch keine Antwort erhalten. »Das ist lustig, nicht wahr?«, schwatzte sie vor sich hin, als wäre er einer ihrer Verwandten. »Dass ich hier meinen Vetter Stefan treffe, meine ich. Du erinnerst dich doch an Stefan, oder? Er war zwei Jahre in Mexiko-Stadt, aber jetzt ist er wieder hier. Er arbeitet für einen Nachbarn von deiner Helen.«
    Und dann hielt sie inne. Sie fragte sich, ob sie wirklich hoffte, dass er auf ihr Geschwätz einging, und ob sie sich länger so entwürdigen wollte. Als sie feststellte, dass sie beides nicht tat, verstummte sie und blieb stehen. Er ging weiter.
    Sie ließ ihn fünf Schritte gehen, dann rief sie: »Ben!«
    Er blieb weder stehen, noch drehte er sich um.
    »Ben!«, rief sie noch einmal. »Ich bitte dich, hör mir nur fünf Minuten lang zu. Ich schwöre dir, es ist das letzte Mal, danach lasse ich dich gehen und komme nicht wieder.«
    Nach einem weiteren Schritt blieb Ben stehen und drehte sich um. »Du schwörst, du machst sofort danach kehrt und scherst dich nach Hause?« Ungläubig hob er eine Braue.
    Katharina nickte beflissen.
    »Und du hörst mit diesen Verfolgungsjagden auf?«
    Wieder nickte sie.
    »Sei’s drum«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Sie wartete, bis sie sicher war, dass er nicht zu ihr kommen würde, dann ging sie zu ihm. Zwar war die Gasse menschenleer, aber nur ein paar Straßen weiter tummelte sich das Leben, und das, was sie ihm zu sagen hatte, war für keinen anderen bestimmt. Sie wollte schlucken, fand aber ihren Gaumen so trocken, dass es schmerzte. Auf einmal war sie stolz auf sich. Sie hatte Angst, doch sie würde es hinter sich bringen, und was immer herauskam, sie würde damit leben. »Ich hab dich lieb«, sagte sie. Sie hatte es früher oft zu ihm gesagt, es war nichts Besonderes gewesen, aber jetzt war es so besonders, dass sie den Atem anhielt, um dem Nachhall der Worte zu lauschen. »Ich habe versucht es dir zu sagen«, fuhr sie fort. »Aber du hast mich nie ausreden lassen oder hast mir nicht zugehört. Du willst, dass ich aus deinem Leben verschwinde – doch das kann ich nicht, solange du nicht gehört hast, was ich dir zu sagen habe. Du musst es wissen. Es ist, als wenn ich etwas bei mir hätte, das dir gehört, und du würdest mir verbieten, es dir wiederzugeben.«
    »Behalte es«, sagte er so wegwerfend, dass sie einen Anflug von Zorn verspürte. »Ich will nichts von dir.«
    »Ich gebe es dir trotzdem«, erwiderte sie. »Es tut mir leid, was passiert ist. Es war meine Schuld. Ich habe etwas Dummes getan, und du bist dafür bestraft worden. Ich hätte dir beistehen sollen, zu dir halten, wie du vor deiner Mutter zu mir gehalten hast, aber ich war wie gelähmt. Ich bitte dich um Verzeihung, Ben. In meinem ganzen Leben habe ich nie etwas so Furchtbares gesehen wie meinen Vater, der auf dich einprügelte …«
    »Halt den Mund«, fuhr er ihr ins Wort. »Mach, was du willst, nur halt endlich deinen gottverdammten Mund.«
    Dass Menschen fluchten, schreckte Katharina schon lange nicht mehr. Dass aber Benito auf solche Weise mit ihr sprechen konnte, als würde er sich den Mund voll Dreck füllen und sie anspucken, tat unglaublich weh. Sie fühlte sich blind und wollte blind um sich schlagen.
    »Hast du gesagt, was du so unbedingt sagen musstest?«, fragte er, nun wieder ruhig und kalt. »Kann ich jetzt gehen?«
    Er wartete ihre Antwort nicht ab. Durch Schleier sah sie, wie er weiterging und hinter der Häuserecke verschwand. Und wenn sie mit Ketten an den Boden geschmiedet gewesen wäre, sie hätte nicht stehen bleiben können. Verstört, wie sie war, rannte sie hinter ihm her.
    Die Gasse mündete in einen Platz mit einem ausgetrockneten Brunnen, an dessen Mäuerchen ein paar Männer lehnten. Auf der gegenüberliegenden Seite versperrte eine Kapelle aus gelbem Backstein den Weg. Die schäbigen Geschäfte, die die seitlichen

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