Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Beerdigung. Wir haben ihn den ganzen Weg, von Xela nach Cobán, bei uns gehabt, damit er hier – zu Hause auf La Huaca, wie Margarete sagte – seine letzte Ruhe findet. Ich hätte nie gedacht, dass jemand so lieben kann. Als Juans Sarg herabgelassen wurde, ist Margarete einfach umgefallen. Ohne ein Wort. Wie ein Baum. Unheimlich. Dabei war sie in den Tagen vorher so stark gewesen. Beinahe hart. Sie hatte uns angetrieben, nicht aufzugeben, weiter und weiter zu reiten.
Robert hat sich um sie gekümmert. Robert, der ihr in den letzten Tagen stets zur Seite stand.
Alles an der Beerdigung war unheimlich. Der Friedhof. Die seltsamen Riten. Eine Mischung aus katholischem Glauben, denke ich, und dem Glauben an die alten Götter der Maya. Ich meinte, meinen Schamanen gesehen zu haben, aber ich kann mich auch irren.
Juans Familie, die uns Weiße anstarrte, als ob wir an allem schuld wären … Nun, ein Stück sind wir das ja auch. Margarete hatte sich wieder gefasst und dann bis zum Ende der Beerdigung durchgehalten. Ohne ein Wort, ohne Tränen. Sie hat sich an Roberts Arm geklammert und den Sarg angestarrt, als wir Erde auf den Deckel warfen.
Jetzt tut es mir leid, dass ich Juan kaum kannte. Schließlich hat er mir das Leben gerettet. Uns allen. Ich werde ihn nie vergessen.
Cobán, 3. November 1902
Heute kam Margarete zu mir. Bleich und abgemagert. Nicht mehr die Schönheit, die ich auf der »San Nicolas« getroffen habe. Es kommt mir vor, als ob es ewig lange her wäre, dabei ist nur ein wenig mehr als ein halbes Jahr vergangen. So viel ist geschehen … und so wenig Gutes.
Margarete bat mich, bei allem, was mir heilig ist, zu schwören, dass ich ihr Geheimnis nie verraten werde.
Ich habe es ihr versprochen, aber habe ihr auch gesagt, dass ich es nicht richtig finde, dass sie Robert ein Kuckuckskind unterschiebt. Da hat sie laut gelacht, was richtig schauerlich klang.
»Robert weiß Bescheid.« Wieder dieses fast hysterische Lachen. »Er freut sich, dass wir so zu einem Kind kommen.«
»Wieso? Ihr könnt noch viele Kinder haben.«
Mein Unverständnis stand mir wohl im Gesicht geschrieben, denn sie lächelte und strich mir über die Wange. »Irgendwann wirst du es verstehen.«
I sabell schluckte und wagte nicht, Julia anzusehen. Wie würde sie es aufnehmen, dass Margarete nicht nur eine innige Liebe mit Juan verbunden hatte, sondern dass sie auch ein Kind von ihm erwartete. Isabell plapperte drauflos, damit Julia Zeit hatte, sich mit dem, was sie da gerade erfahren hatten, auseinanderzusetzen.
»Das also war der wahre Grund, warum Robert und Margarete geheiratet haben.« Julia stand auf und tigerte durch das Zimmer. »Mir fällt nichts mehr ein.« Hilfe suchend schaute sie Isabell an.
»Was soll ich sagen?« Isabell kratzte ihre Nasenspitze, wie immer, wenn sie nervös war. »Kein Wunder, dass deine Eltern etwas dagegen hatten, wenn du in der Familiengeschichte stöberst.«
»Also habe ich Verwandte in Guatemala? Das ist ja Wahnsinn.« Julia schüttelte den Kopf. Sie wollte sich kneifen, wollte prüfen, ob sie das nicht geträumt hatte. »Warum hat nie jemand versucht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen?«
»Ein uneheliches Kind. Von einem Indígena. In derdamaligen Zeit.« Isabell hob die Schultern. »Nicht gerade eine Visitenkarte für ein traditionsbewusstes Familienunternehmen. Kann ich mir schon vorstellen, dass man damit nicht hausieren ging.«
»Ja, damals vielleicht. Da magst du recht haben.« Julia fiel es sichtlich schwer, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Zu viel ging ihr durch den Kopf. »Aber heute? Warum wollten meine Eltern das unter den Teppich kehren? Das Ganze kommt mir vor wie ein kitschiger Film. Nicht wie mein Leben.«
»Das musst du sie selbst fragen.« Isabell hob die Hände. »Elises Tagebuch wird nicht alle Antworten geben.«
»Dann bin ich zu einem Viertel oder Achtel oder Sechszehntel also eine Indígena?«, flüsterte Julia und setzte sich wieder. Sie nahm das schwarze Heft in die Hand und starrte auf die vergilbten Seiten. »Nein. Eine Ladina. Ein Mischling.«
»Hallo? Weißt du, wie übel sich das anhört?« Isabell schüttelte den Kopf. »Wie bist du denn drauf?«
»Ja, entschuldige. So meinte ich das nicht.« Julia fuhr sich durch die Haare. Sie schaute Isabell nicht an, sondern starrte immer noch in Elises Tagebuch, als ob sie dort die Antwort finden könnte. »Es ist nur … ich habe Verwandte in Guatemala, von denen ich nichts ahnte. Vieles, was in meiner Familie
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