Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Nicht-mehr-Heiraten gar kein so großes Opfer, wie du es immer darstellst.« Das konnte Julia sich nicht verkneifen. Zu sehr schmerzte sie das Wissen, dass ihre Eltern ihr bewusst Wichtiges verschwiegen, sie wie ein kleines Kind behandelt hatten und ihr gleichzeitig wieder und wieder die Verantwortung für die Zukunft der Firma aufbürden wollten. »Wenn Margarete Juan so sehr geliebt hat, wie ihre Briefe vermuten lassen, dann war sie wohl ganz froh, keinen anderen Ehemann nehmen zu müssen.«
»Wir wissen es nicht und werden es wahrscheinlich nie erfahren.« Konstantin Linden war aufgestanden, trat neben seine Tochter und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Lass die Vergangenheit ruhen, Julia. Wir haben jetzt genug, worum wir kämpfen müssen. Lass uns in die Zukunft sehen.«
»Man kann die Zukunft nur gestalten, wenn man die Vergangenheit kennt«, konterte Julia. Das hatte sie einmal irgendwo gelesen. »Ich wüsste gern mehr über meine Vorfahren.«
»Ach, Prinzessin.« Die scharfen Falten im Gesicht ihres Vaters vertieften sich, als er seufzte. Kurz schloss er die Augen und strich sich mit den Fingern über die Sorgenfalte an der Nasenwurzel. »Ach, Julia. Es ist doch nicht wichtig, wer unsere Vorfahren waren. Wichtig ist, wer wir sind und wie wir handeln.«
Wieder fühlte sie sich unterlegen. Sie konnte ihrem Vater nichts entgegenhalten. Was er sagte, klang logisch und vernünftig. Warum nagte der Zweifel dann immer noch an ihr? Warum blieb das Gefühl, dass ihre Eltern es sich zu leicht machten und alles, was sie bedrückte, mit wohlgesetzten Worten vom Tisch fegten und unter den Teppich kehrten?
»Konstantin.« Nur ein Wort, aber es reichte, dass Julia und ihr Vater sich nicht mehr anstarrten, sondern ihre Aufmerksamkeit auf Sophia Linden richteten. Sie war aufgestanden und stand sehr gerade. In Primaballerina-Haltung. »Lass es gut sein. Julia hat recht. Wir hätten ihr die Wahrheit sagen müssen. Schon lange.«
»Wie bitte?« Niemals hätte sie damit gerechnet, dass ausgerechnet ihre Mutter ihr zur Seite springen würde.
»Wir … wir fanden es wirklich nicht wichtig.« Sophia Linden hob die schmalen Hände in einer eleganten Geste, die wohl eine Entschuldigung ausdrücken sollte. »Dein Vater hat recht. Wir können nicht ändern, was Margarete getan hat, aber wir können unser Leben gestalten.«
»Wart ihr denn nie neugierig?«, platzte Julia heraus. EineIdee nahm Gestalt an. Ein Gedanke, den Isabell und Florian hervorgerufen hatten. Würde sie den Mut aufbringen? »Ich werde nach dem Abitur nicht sofort studieren.« Sie betrachtete ihre Eltern. Nach einer wohlgesetzten Pause fuhr sie fort. »Ich werde für mindestens ein Jahr nach Guatemala gehen, dort in einem Freiwilligenprojekt arbeiten und versuchen, meine Verwandten zu finden.«
»Was?« Sophia Linden wirkte so überrascht, dass sie alle Umgangsformen vergaß. »Das … das kann nicht dein Ernst sein.«
»Prinzessin. Ich kann verstehen, dass du aufgewühlt bist.« Ihr Vater tätschelte Julias Schulter, als ob sie ein unruhiger Hund wäre und kein zorniges Mädchen. »Aber lass uns keine übereilten Entschlüsse fassen. Lass uns erst einmal eine Nacht darüber schlafen.«
Seine Stimme klang endgültig, aber ausnahmsweise war Julia nicht bereit nachzugeben. Nicht hier und nicht heute. Zu lange hatte sie ihre Eltern über ihr Leben bestimmen lassen und sich so sehr bemüht, eine gute Tochter zu sein. »Mein Entschluss steht fest.« Sie holte tief Luft. »Ich will erkunden, wie meine Vorfahren gelebt haben.«
»Julia, bitte.« Ganz hart klang die Stimme ihres Vaters. So kannte sie ihn gar nicht. Selbst ihre Mutter wirkte erstaunt. »Im Moment haben wir andere Probleme, als mögliche Verwandte in Guatemala zu suchen. Unser Unternehmen steht vor dem Bankrott. Übernimm Verantwortung.«
»Konstantin!« Sophia Linden wirkte erschüttert über die Worte ihres Mannes. »Konstantin, das müssen wir nicht jetzt entscheiden.«
»Doch«, sagte Julia leise. Zum ersten Mal war sie sich sicher, dass sie den richtigen Weg einschlagen würde. »Papa,ich will erst wissen, wo wir herkommen. Weißt du noch, dass ich schon als Kind die Finca besuchen wollte?«
»Ach, Prinzessin.« Ihr Vater wirkte müde und erschöpft, als ob die Verantwortung ihn niederdrückte. »Jetzt ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für deine Pläne.
»Ich werde kein Geld von euch brauchen«, sagte Julia. Sie konnte sich denken, was ihren Vater bedrückte. »Es gibt
Weitere Kostenlose Bücher