Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Gefahr begaben. Ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. »Kein Wunder, dass Margarete ihn so geliebt hat.«
»Aber warum hat sie dann Robert geheiratet?« Julia wirkte immer noch wie versteinert. Zu tief saß der Schock über das, was sie erfahren hatte. »Dafür, dass sie Juan so sehr geliebt hat, ist sie ja ziemlich schnell über ihn hinweggekommen, oder?«
»Sie war schwanger.« Isabell schüttelte den Kopf. Konnte oder wollte Julia nicht verstehen, was ihre Ururgroßmutter angetrieben hatte? »Damals hätte sie als Alleinerziehende doch keine Chance gehabt. Und dann noch mit einem Mischlingskind.«
»Wahrscheinlich hast du recht.« Julia zuckte mit den Schultern. »Aber irgendwie klingt das für mich alles nicht plausibel.«
»Na ja, ich könnte mir da noch einige andere Gründe vorstellen. Margarete war die einzige Erbin der Kaffeeplantage, eine schöne und kluge Frau. Juan hatte Robert das Leben gerettet. Robert fühlte sich ihm gegenüber in der Schuld.« Isabell schüttelte erneut den Kopf. »Such dir was aus.«
»Das … das …« Julia stieß ein Geräusch aus, das wie eine Mischung aus Lachen und Weinen klang. »Das klingt eher wie eine Daily Soap als ein Referat.«
Jetzt gingen beide in Gedanken versunken in dem kleinen Raum auf und ab.
»Ich … ich brauche auch Zeit, das sacken zu lassen. Und ich will mit Lina reden.« Isabell setzte sich hin und schlug das Tagebuch zu. »Ich kann nicht noch mehr Geheimnisse aus alten Heften erfahren. Mir reicht’s.«
»Mir auch!« Julia nickte heftig. »Nur Lügen und Halbwahrheiten. Das … das können wir niemals in diesem Referat verarbeiten.«
»Müssen wir auch nicht.« Isabell war froh, dass Julia einneues Thema zur Sprache brachte. Auf keinen Fall wollte sie jetzt weiter über Elise und Georg, Maya-Tempel und Schamanen reden. »Lass uns bis morgen nachdenken und dann eine Entscheidung treffen.«
»Gute Idee.« Julia nickte. »So machen wir’s. Ich gehe jetzt nach Hause, um mit meinen Eltern Klartext zu sprechen.«
»Ruf mich an, wenn es vorbei ist.« Isabell gelang ein Lächeln. »Ich werde in der Zwischenzeit ein ernstes Wort mit meiner Großmutter reden. Und ich versuche herauszufinden, was mit Elises Eltern geschehen ist.«
56
»Wusstet ihr davon?« Anklagend hielt Julia die Kopie der Tagebuchseite hoch und kam sich ein bisschen melodramatisch vor. Hätte sie das Thema etwa nebenbei beim Abendessen ansprechen sollen? »Wusstet ihr von meinem Maya-Ururgroßvater?«
»Julia. Bitte.« Ihr Vater schüttelte den Kopf, als wäre sie ein verstocktes Kind. »Ist das denn wirklich von Bedeutung?«
»Ihr erzählt mir nur Lügen. Oder verschweigt mir Wesentliches«, fügte sie hinzu und fühlte Bitterkeit in sich aufsteigen. »Erst die drohende Insolvenz und jetzt unbekannte Familienmitglieder in Mittelamerika.«
»Julia!« Unerbittlich klang ihre Mutter. Wie eine Mauer, an der selbst der stärkste Zorn zerschellen musste. »Als ob du es sonst mit der Verwandtschaft hättest.«
Ihre Mutter hatte leider recht. Wenn es um Besuche bei den diversen Onkeln und Tanten ging, suchte Julia immer nach Ausreden, um sich vor den langweiligen Gesprächen am Kaffeetisch zu drücken.
»Ihr habt mir ja nicht einmal die Chance gelassen, mich gegen sie zu entscheiden. Immer und überall begleitet mich unsere Geschichte. Margarete und Robert. Ihre Heldentaten. Ihr vorbildlicher Mut. Ihre aufopfernde Haltung. Das habt ihr mir erzählt und … Und ich habe mich klein und egoistisch gefühlt«, beharrte Julia. Sie holte tief Luft undschleuderte ihren Eltern die Worte nur so entgegen. »Und jetzt erfahre ich, dass alles gelogen ist.«
»Das stimmt nicht«, beharrte ihre Mutter. »Alles, was du über Margarete weißt, ist die Wahrheit. Sie hat die Firma aufgebaut. Erst mit ihrem Ehemann …«
»… der nicht der Vater ihres Kindes war«, unterbrach Julia ihre Mutter und hob den Kopf, das Kinn vorgeschoben. Bereit, den Streit zu führen. »Die Kleinigkeit habt ihr vergessen zu erwähnen.«
»Margarete hat gemeinsam mit Robert hier in Bremen die Geschäfte geführt. Gemeinsam. Bis zu seinem Tod.« Sophia Linden blieb weiterhin ruhig. Nur die kleine Geste, mit der sie ein nicht vorhandenes Staubkorn von ihrem makellos sitzenden blauen Kostüm entfernte, zeigte Julia, dass sie nervöser war, als sie es vorgab. »Danach hat deine Ururgroßmutter ihr Leben dem Aufbau der Firma gewidmet und all das erreicht, von dem wir heute profitieren.«
»Vielleicht war das
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