Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
erzählt wurde, ist eine Lüge. Was kann da noch kommen?«
Cobán, 9. November 1902
Georg und ich sind heute von La Huaca nach Cobán gefahren. Dank Roberts großzügiger Unterstützung konnten wir in einem komfortablen Gasthaus unterkommen. Hier wollen wir nun auf Nachricht von meinen Eltern warten. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Der Brujo kann nicht gelogen haben. Warum er uns nach Xela gesandt hatte, werde ich wohl nie erfahren. Gestern Abend bat mich Margarete, ihre Brautjungfer zu werden. Robert und sie wollen so schnell wie möglich heiraten.
Kurz vor unserer Abreise haben Robert und Georg miteinander gesprochen. Ja, und ich habe sie belauscht.
»Ich würde euch eine Überfahrt nach Bremen bezahlen«, bot Robert an. Mein Herz tat einen Sprung. Zurück nach Hause. Aber dann erinnerte ich mich an mein Versprechen gegenüber dem Schamanen. Und an meine Eltern. Aber Georg … ihn hielt nichts, oder?
»Danke, nein danke.« Mein Herz tat noch einen Sprung, als Georg das sagte. »Erst muss ich Elises Eltern finden.«
»Bedeuten sie dir so viel?« Ich sah, wie Robert die Hand auf Georgs Arm legte. »Ich gebe euch gern Geld für die Suche.«
»Danke.« Georg lächelte. Am liebsten wäre ich losgestürmt und hätte beide umarmt, aber wer weiß, was da noch kommen würde. Also harrte ich weiter in meinem unbequemen Versteck aus. »Sie sind meine Familie. Henni und Johann. Und wenn sie will, auch Elise.«
»Liebst du das Mädchen?«
»Ja. Ich liebe sie.« Er kratzte sich am Kopf, so wie immer, wenn er verlegen ist. Wie gut ich ihn in der Zwischenzeit kenne. »Aber ob sie mich nehmen wird …«
Ich biss mir in die Fingerknöchel, um mich nicht zu verraten.
»Du weißt von dem Kind?«, fragte Georg und wieder presste ich mir die Hand vor den Mund, um in meiner Überraschung nicht herauszuplatzen. Woher wusste Georg Bescheid? »Juans Kind?«
»Ja.« Ich konnte sehen, wie sich auf Roberts markantem Gesicht ein seltsames Lächeln abzeichnete. Dann sagte er: »Nicht Juans Kind. Unser Kind. Margaretes und mein Kind. Es wird unser Erbe sein.«
»Ich wünsche euch Glück.« Georg streckte die Hand nach Robert aus. »Für eure Ehe, für La Huaca und für das Kind.«
Nachdem Robert gegangen war, hielt mich nichts mehr in meinem Versteck. Ich stürmte heraus und rief: »Ja! Ja!«, woraufhin Georg in Lachen ausbrach.
Er küsste mich und von dem Moment an wusste ich, dass alles gut wird. Mit Georg zusammen kann ich mich allen Gefahren stellen – da bin ich mir sicher. Und ich werde nicht aufgeben, bis ich meine Eltern gefunden habe.
D as war die letzte Seite in diesem Tagebuch.« Isabell wagte nicht aufzusehen. Sie konnte sich vorstellen, wie aufgebracht Julia war. »Später hat Elise Reiseberichte geschrieben. Aber kein Tagebuch mehr.«
Julia schwieg. Sie war kreidebleich und atmete schwer. Isabell musste etwas finden, um sie abzulenken.
»Juan. Was für ein toller Mensch. Was für ein Held. Er hatallen das Leben gerettet.« Isabell schluckte. Die Geschichte hatte sie mehr berührt, als sie erwartet hätte. Schließlich war es mehr als hundert Jahre her und alle Beteiligten waren lange tot. Und trotzdem hätte sie Juan und Margarete ein Happy End gewünscht. Sie, die so gar nicht auf Romantik stand. »Immerhin hat er noch erfahren, dass er Vater werden würde.«
»Ihr gemeinsames Kind. Alles gelogen.« Julia hämmerte eine Faust gegen die Wand. »Alles … Lüge!«
»Beruhige dich.« Isabell ging zu ihr und berührte sie vorsichtig an der Schulter. »Komm, wir bringen das Tagebuch zurück und trinken einen Kaffee. Oder Tee. Oder Kakao.«
»Nein!« Julia schien nicht zu bemerken, dass sie an ihrer Unterlippe kaute und bereits erste Blutströpfchen zu sehen waren. »Nein. Ich brauche noch etwas Zeit. Bitte.«
Julia starrte ewig lange geradeaus. Sie hatte die Hände verschränkt und ihre Finger führten ein Eigenleben, flochten sich ineinander, trennten sich, nur um sich wieder ineinander zu verhaken.
»Du machst mich ganz nervös!«, schnauzte Isabell sie an und hoffte, auf dem Weg irgendeine Reaktion von Julia zu provozieren.
»Sie müssen sich sehr geliebt haben.« Julia lächelte, nur ein wenig, aber immerhin ein Lächeln. »Was wäre wohl aus ihnen geworden, wenn sich Juan mit Margarete in dem Stall zur Flucht entschieden hätte?«
»Dann wäre er nicht Juan gewesen, glaube ich.« Eigentlich konnte Isabell kaum glauben, dass es solche Männer je gegeben hatte. Menschen, die sich zur Rettung anderer in
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