Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Möglichkeiten, die mit geringem finanziellem Aufwand verbunden sind. Vielleicht ist es ganz gut, wenn ich versuche, unabhängig zu sein.«
»Lass uns mit der Entscheidung noch warten.« Konstantin Linden erhob sich. Er nickte seiner Frau und seiner Tochter zu. »Ich muss leider noch einmal ins Büro.«
Julia sah ihm nach, wie er mit gebeugten Schultern und sichtlich müde das Zimmer verließ. Vielleicht hätte sie ihn nicht so mit ihren Plänen überfallen sollen.
»Julia.« Ihre Mutter legte ihr sanft eine Hand auf den Arm. Sie lächelte leicht. »Wenn du das wirklich möchtest, werde ich dich unterstützen. Aber dein Vater hat recht. Lass uns alle einmal darüber schlafen.«
Sie beugte sich vor und küsste Julia auf die Wange.
57 Guatemala 1902
Cobán, 18. November 1902
Ein Wunder. Ein wahres Wunder. Meine Eltern sind zurück. Gesund, abgemagert und ziemlich kleinlaut, aber sie leben. Dank des Schamanen und seiner Verbündeten. Sie haben alles gegeben, um mir meine Familie zurückzubringen.
Elise ließ den Füllfederhalter sinken und strich sich Freudentränen aus den Augen. Tränen, die sie immer wieder überkamen, wenn sie an die glückliche Rettung ihrer Eltern dachte. Vor zwei Tagen hatte ein Indio an die Tür ihres Pensionszimmers in Cobán geklopft und ihr mitgeteilt, dass sie die Spur der Banditen aufgenommen hatten. Und einen Tag später …
K ommt mit«, hatte der Indio gesagt. Er wirkte erschöpft, und Elise entdeckte einen Verband an seinem Oberarm. »Schnell.«
»Ich hole sofort die Pferde.« Georg nickte Elise zu und eilte hinaus. Sie sah ihm nach, wollte ihn bitten, sie nicht allein zu lassen, und wusste doch, dass er vernünftig handelte.
»Geht es meinen Eltern gut?« Elise bekam kaum Luft vor Aufregung. Ihr Herz schlug schneller und sie fürchtete die Antwort. Aber noch mehr fürchtete sie die Ungewissheit,die sie in den letzten Wochen geplagt hatte. »Bitte, sagen Sie doch etwas.«
»Dein Vater ist im Kampf verwundet worden. Aber er wird überleben.« Der Indio bedeutete ihr, sich zu beeilen. Ohne ein weiteres Wort ging er voran. »Du wirst es sehen.«
Im hellen Licht der Nachmittagssonne wirkte er völlig ausgezehrt und Elise wollte ihn nicht weiter drängen. Nervös lief sie die Straße vor der Pension auf und ab. Wo nur Georg mit den Reittieren blieb!
Endlich galoppierte er heran. Er warf ihr Nemos Zügel zu und reichte dem Indio seinen Arm, damit der Mann sich hinter ihm aufs Pferd schwingen konnte.
»Pah!«, ertönte eine vorwurfsvolle Stimme. Elise, ihren Fuß bereits im Steigbügel, wandte sich um. Die Wirtin stand in der Tür. »Normalerweise geben sich meine Gäste nicht mit schmutzigen Indios ab.«
»Nein, Schmutz finden Ihre Gäste genug in den Zimmern«, antwortete Georg. Dann preschten sie davon.
»Entschuldigung«, sagte Elise zu dem Indio, der ihr seinen Namen nicht genannt hatte, und in ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, sich vorzustellen. »Unsere Wirtin ist eine dumme, engstirnige Frau.«
Der Indio zuckte mit den Schultern und schaute sie aus unergründlichen Augen an. Elise schwieg. Von was für einem Kampf hatte der Indio gesprochen?
D er Ritt dauerte nicht so lange, wie Elise befürchtet hatte. Plötzlich deutete der Indio auf einen schmalen Waldweg, der beinahe verborgen unter ausladenden Farnbüschen lag. Georg zügelte seinen Fuchswallach und schon nach wenigen Metern erreichten sie ihr Ziel.
»Hier, die kleine Hütte«, sagte der Indio.
»Danke, vielen Dank! Wir stehen tief in Ihrer Schuld!« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, sprang sie auch schon von Nemos Rücken und eilte auf die Hütte zu. Georg blieb draußen bei den Pferden und blickte sich wachsam um. Elise drehte sich noch einmal um und wollte dem Indio noch etwas zurufen, da sah sie ihn bereits im Wald verschwinden.
Die Hütte war vollständig eingerichtet, mit Schlafplätzen, einer Feuerstelle und einem Kessel. Elises Augen mussten sich erst an das Halbdunkel gewöhnen, doch da kam auch schon eine Frau mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
»Lise!« Henni Hohermuth riss ihre Tochter in die Arme und drückte Elise so fest, dass es beinahe schmerzte. »Lise!«
»Mama!« Elise hatte ihrer Mutter so viel sagen wollen, aber jetzt klammerte sie sich nur an sie und wiederholte immer nur ein Wort. »Mama! Mama!«
Tränen strömten ihnen über die Wangen. Elise konnte sich nicht daran erinnern, dass sie ihre Mutter jemals zuvor weinen gesehen hatte.
»Dort liegt dein Vater. Die
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