Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Liebes.« Ihre Tante lächelte so freundlich, dass sich Margarete schon schämte. »Es wäre schön, wenn wir heute Abend gemeinsam essen könnten.«
»Ich brauche nur ein wenig Ruhe.« Margarete beugte sichvor und küsste Tante Elisabeth auf die Wange. Mit letzter Kraft gelang es ihr, die lächelnde Fassade aufrechtzuerhalten.
Nachdem sie die Tür zum Salon hinter sich geschlossen hatte, taumelte sie und ließ sich in den mit nachtblauem Samt bezogenen Sessel sinken, der im Eingangsbereich für wartende Besucher stand. Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus. So tief, wie es das unbequeme Kleid nur zuließ.
Als Schritte ertönten, öffnete sie die Augen. Fräulein Dieseldorf. Nicht jetzt. Aber die Gouvernante steuerte zielsicher auf Margarete zu.
»Post von zu Hause. Ein Glück, dass dich der Brief noch vor unserer Abreise erreicht.«
»Danke.« Margarete erkannte die Handschrift ihres Vaters und lief die Treppe hinauf. Was mochte so eilig sein, dass er ihr vor ihrer Abreise nach Guatemala noch schreiben musste? War ihrer Großmutter etwas zugestoßen? Nein, ein Unglück erforderte ein Telegramm. In ihrem Zimmer riss sie den Umschlag voller Vorfreude auf. Nachdem sie die Zeilen gelesen hatte, entglitt ihr der Brief und sank zu Boden wie ein Blatt im Wind.
8 Bremen 2011
Pünktlich um drei Uhr klingelte Julia zwei Tage später bei Isabell. In ihrem Rucksack hatte sie eine Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten und ein paar Hintergrundinformationen zu Guatemala – ein Land, das nicht gerade unter die Top Ten von Julias Urlaubszielen fiel. Nicht einmal unter die Top Fifty, wenn sie ehrlich war.
»Hallo«, begrüßte sie Isabell mit dem dicken grau-weißen Kater auf dem Arm. »Komm rein.«
Julia schloss die Haustür hinter sich und streichelte den stattlichen Stubentiger ausgiebig zur Begrüßung. »Möchtest du was trinken?«
»Wasser.« Julia lächelte Isabell an. »Mit Kohlensäure, wenn möglich.«
»Ich kann das stille Zeug auch nicht leiden. Schmeckt wie abgestanden.« Isabell deutete nach oben. »Geh einfach die Treppe hoch und dann geradeaus. Da ist mein Zimmer. Ich komme gleich.«
»Okay.«
Das Häuschen von Isabells Oma wirkte geradezu winzig im Vergleich zu der Patriziervilla von Julias Familie. Klein, aber gemütlich. An den Wänden die Treppe entlang hing rechts eine Sammlung von Katzenfotos. Wahrscheinlich alle ehemaligen und aktuellen Haustiere. Ihnen gegenüber hingen drei Kunstkalender: Franz Marc, Alphonse Mucha undEdward Hopper. Julia blieb vor der Hopper-Reproduktion stehen. Sie mochte den amerikanischen Maler, aber das Bild kannte sie noch nicht. New York Office.
»Ziemlich kühl. All das Blau und Weiß.« Isabell kam die Treppe hoch und balancierte ein Tablett. Zwei Becher Kaffee, dazu Milch, Zucker, Süßstoff sowie zwei Gläser und eine Flasche Wasser. »Die Frau erinnert mich an Grace Kelly. Irgendwie vornehm und einsam.«
»Es gibt keinen Eingang … und auch keinen Ausgang«, sprach Julia aus, was ihr als Erstes in den Sinn gekommen war.
»Das denkt sie bestimmt auch, so den ganzen Tag eingesperrt im Büro«, antwortete Isabell und drängte sich an Julia vorbei. »Wenn du was essen möchtest, kann ich gern noch was organisieren.«
»Danke, schon okay.« Julia riss sich von dem Bild los und folgte Isabell in ihr Zimmer. Nicht einmal halb so groß wie ihres, aber vollgestopft mit Bildern, CDs, Büchern und Erinnerungsstücken.
»Setz dich doch.« Isabell zerrte eine Hose und einen Pulli von einem gemütlich aussehenden Sofa und öffnete die Schranktür. Achtlos warf sie die Kleidung hinein. »Oder willst du lieber den Sitzsack?«
»Das passt schon. Und, wie läuft’s bei dir?«
»Bin etwas genervt.« Isabell stieß lauthals die Luft aus. »Diese schräge Zoe hat sich in Politik mit mir angelegt. Richtig heftig. Keine Ahnung, was ich der getan habe. Komische Streberin.«
»Ich glaube, die kann niemanden leiden.« Julia zuckte mit den Schultern. »Einfach ignorieren.«
»Sagt sich so leicht.« Isabell schüttelte sich, als ob siedie Erinnerung an einen unangenehmen Streit abschütteln wollte. »Egal. Wie fangen wir an?«
»Ich habe mich ein bisschen schlau gemacht.« Julia griff in den Rucksack, suchte ihr iPad und öffnete es. Sie rief die Dateien auf, die sie gestern Abend erstellt hatte. »Guatemala ist ein kleines Land mit großen Problemen. Davon hast du bisher nichts gesagt.«
»Wir sollen uns ja auch nicht mit dem Guate von heute beschäftigen«,
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