Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
die Augen schließe, fühle ich mich beinahe wie in Guatemala.« Isabell bewegte sich zu den rhythmischen Klängen. »Also, wie gehen wir das Ganze an?«
9
»Schau mal, was ich im Internet gefunden habe.« Isabell wedelte mit einem Zettel vor Julias Nase herum, als sie sich am nächsten Nachmittag in der Bibliothek trafen. Sie grinste siegesgewiss.
»Jaja.« Julia wartete einen Moment und sprang auf, griff nach dem Papier und trat ein paar Schritte zurück, damit sie es in Ruhe lesen konnte: Kaffeebauern und Kaffeehandel im 19. Jahrhundert. Forschungsprojekt. Universität Bremen.
»Pscht«, zischte ihr jemand zu.
Die Schulbibliothek war wirklich nicht der ideale Treffpunkt, wenn man aufregende Neuigkeiten hatte.
»Wow, das ist wirklich klasse«, musste Julia zugeben und ärgerte sich, dass nicht sie die Information entdeckt hatte. »Hast du noch mehr dazu?«
»Nein.« Isabell zuckte mit den Schultern. »Hab’s gerade erst entdeckt und wollte es dir gleich zeigen.«
»Lass uns schauen, ob wir jemanden finden, der Ansprechpartner ist.«
»Das weiß ich schon.« Isabell holte eine zweite Seite hinter ihrem Rücken hervor. »Ich wollte es spannend machen. Eine Professorin.«
»Ist doch super.« Julia öffnete ihr iPad. »Dann lass uns nachsehen, wie wir sie erreichen können.«
Gemeinsam neigten sie ihre Köpfe über den Tablet-PCund suchten auf den Seiten der Universität nach weiteren Informationen über das Forschungsprojekt.
»Gimme five!« Isabell hob die rechte Hand und Julia schlug mit einem lauten Klatschen ein, was ihnen einen vorwurfsvollen Blick der Bibliothekarin einbrachte. »Entschuldigung.«
»Schau nur«, flüsterte Isabell betont leise. »Wir haben richtig Glück. Übermorgen ist Sprechstunde.«
»Komm, lass uns einen Kaffee trinken gehen.« Julia nickte ihr zu und packte ihre Sachen zusammen. »Bevor wir hier rausfliegen.«
Isabell folgte Julia auf dem Weg in die Cafeteria.
»Kann man da einfach so hingehen?«, fragte Julia. Sie deutete auf die Zettel. »Ich meine, wir studieren ja nicht und so.«
»Wir versuchen es einfach.« Isabell strich sich über die Nase. »Was kann uns schon passieren?«
»Dann sollten wir aber gut vorbereitet sein.« Julia drehte sich gedankenverloren eine Haarsträhne um den Finger. »Um 15 Uhr beginnt die Sprechstunde. Hey, was machst du?«
Isabell tippte eine Telefonnummer in ihr Handy.
»Hallo. Mein Name ist Isabell Pötter. Ich wollte fragen, ob man sich zur Sprechstunde von Frau Professor Nahnsen übermorgen anmelden muss.«
Kurzes Schweigen.
»Aha.« Isabell nickte. »Gibt es eine Zeit, die besonders gut ist?«
Längeres Schweigen.
»Vielen Dank. Einen schönen Tag noch.«
»Und?«, fragte Julia und trommelte mit den Fingern einen Rhythmus auf dem grauen Tisch.
Isabell gefiel es, Julia zappeln zu lassen. Sie genoss noch einen Moment ihren Triumph, bevor sie antwortete. »Die Professorin ist nicht da.«
»So ein Mist!« Julia warf ihr Blank Book auf den Tisch. »Wäre ja auch zu einfach gewesen. Ist sie lange weg?«
»Ja. Forschungssemester. Aber für Fragen steht ihr Mitarbeiter zur Verfügung. Und diese Woche wird nicht viel los sein, meinte die Sekretärin.«
»Dann lass uns doch morgen Nachmittag treffen, alles auswerten, was wir haben, und uns auf die Sprechstunde vorbereiten. Okay?«
H ier, die wollte ich dir zeigen. Die Tagebücher meiner Ururgroßmutter.« Isabell holte drei Bündel schwarzer Notizhefte aus ihrer Schreibtischschublade. Jedes Bündel war mit einem blassblauen Band zusammengeschnürt. Beinahe ehrfürchtig hielt sie die Hefte, denen man das Alter ansah, in den Händen. »Allerdings weiß ich nicht, ob es was bringt …«
Julia nahm eines der Tagebücher in die Hand. Es roch nach vergilbtem Papier. Vorsichtig zog sie die Schleife auf und nahm sich ein Heft, voller Sorge, dass es unter ihren Händen zu Staub zerfallen könnte.
»Ach du Schande, was ist das denn für eine Schrift?« Julia runzelte die Stirn und deutete auf die Zeichen, die trotz des Alters gestochen scharf wirkten, aber aussahen wie Hieroglyphen. »Hat deine Ururgroßmutter eine eigene Geheimschrift entwickelt?«
»Geschichte ist wohl nicht dein Lieblingsfach«, antwortete Isabell. »Das ist Kurrentschrift, sozusagen der Vorgänger unserer Schreibschrift.«
»Na prima. Dann können wir die Hefte für unser Projekt ja wohl vergessen.« Frustriert schüttelte sich Julia die Haare aus der Stirn. Alles hätte so schön einfach sein können. Ein paar alte
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