Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
stellte die Essensreste in den Kühlschrank.
»Zum Nachtisch gibt es Obst und … dank Julia … Pralinen. Möchte jemand einen Kaffee oder Espresso?«, fragte sie.
»Espresso, bitte.« Julia schaute kurz auf.
»Für mich auch. Julia, was willst du nach dem Abiturmachen?« Isabells Großmutter war nicht einmal auf die Idee gekommen, Julia zu siezen oder sich siezen zu lassen. »Blöde Frage, ich weiß. Aber lang ist es ja nicht mehr hin.«
»Ich werde BWL studieren und dann in unser Unternehmen einsteigen.« Julia schaute wieder auf und wirkte etwas überrascht von Linas direkter Frage. »Vielleicht studiere ich ein Jahr in England oder den USA.«
»Wäre Brasilien oder Guatemala nicht passender?«, mischte sich Isabell ein. Sie füllte Espressopulver und Wasser in die silberne Kanne und stellte sie auf den Herd. »Wegen des Kaffeeanbaus. Oder musst du darüber nichts wissen?«
»Eher nicht.« Julia schüttelte den Kopf. »Ich muss mehr die unternehmerische Seite verstehen. Aber interessant wäre das schon. Wenn nur die ganzen Viecher nicht wären. Spinnen. Schlangen. Ekeltiere.«
»So schlimm ist das nicht«, verteidigte Isabell ihr Land. »Schlangen greifen nur an, wenn sie sich bedroht fühlen.«
»Apropos Kaffee und Guatemala«, unterbrach Lina die beiden, nahm sich eine Praline und biss genießerisch hinein. »Isabells Ururgroßmutter Elise war eine fleißige Tagebuchschreiberin. Ich habe zehn Bücher gefunden.«
»Zehn Tagebücher? Das ist ja unglaublich!« Isabell schaute ihre Großmutter überrascht an. »Da kommt ja was auf uns zu.«
»Tagebücher?« Julia sah von einer zur anderen.
»Ja, Elise lebte auch in Guatemala und hat Tagebuch geführt. Es sind eher Hefte als Bücher.« Lina verteilte die Espressotassen und stellte Zucker auf den Tisch. »Sie ist 1902 nach Guatemala gereist. Das wäre doch ein guter Einstieg in euer Thema, oder?«
Isabell und Julia sahen sich schweigend an.
»Na ja, wir müssen uns noch einigen, wie wir die Geschichte aufbauen«, ergriff Isabell schließlich das Wort. »Und eigentlich soll das Projekt ja den Kaffeehandel erörtern, oder?«
»Lassen wir uns überraschen.« Julia hob ihre Espressotasse, als ob sie anstoßen wollte. »Auf unser Projekt und unsere Ururgroßmütter.«
7 Bremen 1902
Ein Jahr weilte sie nun schon in Bremen. Ein Jahr ohne ein Wort von Juan. Zwölf Monate Sehnsucht und Hoffnungen, die jeden Tag wieder enttäuscht wurden. Obwohl es bereits Mittagszeit war, lag Margarete noch im Bett, eingekuschelt in die weichen Kissen. Sie würde den ganzen Tag in ihrem Zimmer verbringen, würde eine Krankheit vorschützen. Ein Frauenleiden, so wie ihre Tante. Je näher der Tag ihrer Rückkehr nach Guatemala rückte, desto düsterer wurde ihre Stimmung. Juan. Immer wieder Juan. Sein Verrat schmerzte immer noch. Sie zog sich die Decke über den Kopf und schluchzte leise in die Kissen.
Margarete schreckte auf, als sie jemanden die breite Treppe emporsteigen hörte. Sicher die Zofe ihrer Tante, gesandt, um Margarete zum Essen zu rufen. Oder Fräulein Dieseldorf, die ihr bestimmt einen Vortrag darüber halten würde, dass es sich für eine Dame nicht schickte, über die Mittagszeit hinaus im Bett zu liegen. Am liebsten hätte Margarete die Tür verriegelt und den Schlüssel weggeworfen. In einer Woche würde sie nach Guatemala zurückkehren. Etwas, das sie sich so sehr gewünscht hatte und ihr nun auf dem Herzen brannte.
In den ersten Monaten ihres Aufenthalts hatte das Heimweh sie nahezu aufgefressen. Sie sehnte sich nach den Abenden vor dem Kamin, wenn ihr Vater seine Pfeife rauchte, ihre Großmutter strickte und sie selbst ein Buch las.Abende der Ruhe und Gemeinsamkeit. Nicht wie die Bremer Abende, die häufig in großer Gesellschaft verbracht wurden. Eingeschnürt in ein Korsett und in ein Kleid der neuesten Mode sollte Margarete lachen, Konversation betreiben und sich nach einer angemessenen Partie umsehen.
»Es muss sein!«, hatte das Fräulein sie beschieden, als sie den Wunsch äußerte, nicht mehr an dem Heiratszirkus, wie Margarete es nannte, teilnehmen zu müssen. »Das gehört dazu, wenn eine junge Dame in die Gesellschaft eingeführt wird.«
Sicher, sie hatte die Zeit in Bremen genossen. Die Gesellschaften, die bewundernden Blicke der Männer, ihre galanten Worte. »Aber ich gehöre nicht hierher«, betonte Margarete und beharrte auf ihrem Standpunkt. Ein wenig auch aus Trotz, weil Fräulein Dieseldorf so viel Wert auf Etikette und gutes
Weitere Kostenlose Bücher