Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
wählte, sah sie den alten VW - Käfer um die Kurve biegen, den ihr Vater damals gleich nach ihrer Ankunft für wenig Geld erstanden hatte und der ihn an seine Jugend erinnerte, wie er schmunzelnd gesagt hatte. »Außerdem sind diese Autos unverwüstlich«, hatte er hinzugefügt, was sich bestätigte, denn der Wagen fuhr ihre Familie genauso zuverlässig über geteerte Straßen wie über Schotterpisten und Dschungelwege. Also genau das Richtige für Guatemala.
Ohne auf den Klingelton zu warten, griff Isabell nach ihrer Reisetasche, warf einen letzten Blick in die Küche und verriegelte die Wohnungstür. Dann eilte sie durch das Treppenhaus bis zur Haustür und schaute sich ein letztes Mal um.
Sie nickte dem Wachmann vor ihrem Haus zu. Obwohl die Kriminalität in den letzten Jahren zurückgegangen war, bestand die Hausverwaltung darauf, einen Mann mit Gewehr vor dem Eingang zu postieren, um den Mietern, überwiegend Gringos oder gutverdienende Ladinos, das Gefühl von Sicherheit zu geben. Isabell hingegen hatte es eher Sorgen bereitet. Auch ihre Eltern hatten sich nur schwer damit abfinden können, wie eine Bank oder ein Juweliergeschäft bewacht zu werden. Zumal ihr Stadtteil als sicher galt.
Ihre Mutter war bereits ausgestiegen und hielt Isabell die Autotür auf. Die dunklen Locken standen in alle Richtungen ab und ihre Stirn zierte ein Streifen Erde. Isabell konnte es förmlich sehen, wie ihre Mutter sich mit der dreckverschmierten Hand den Schweiß von der Stirn wischte.
»Du hast bestimmt gedacht, wir vergessen dich!«, ertönte die fröhliche Stimme ihres Vaters hinter dem Lenkrad hervor. Er drehte sich zu Isabell um und grinste sie breit an. Unter dem Indiana-Jones-Hut, der ihr immer entsetzlich peinlich war, quollen seine hellbraunen Haare hervor. »Ich kann es dir ansehen.«
»Ihr seid auch spät«, antwortete sie. »Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ihr mich wegen ein paar alter Steine sitzen lasst.«
»Ach, Schatz, das ist Jahre her.« Ihre Mutter hatte sich auf den Vordersitz gesetzt und zerrte ungeduldig an dem altersschwachen Gurt, der sich wieder einmal verhakt hatte.
Bevor Isabell antworten konnte, geriet der Motor plötzlich ins Stottern. Sie drehte sich um und sah, wie der Käfer nur noch dunkle Rauchwolken ausspuckte.
»Oh verflucht.« Isabells Vater drehte den Schlüssel mehrmals im Schloss und trat auf das Gaspedal ein. Ohne Erfolg. Matthias Pötter stieg aus und riss die Motorhaube auf.
»So ein Mist!«
»Was ist los?«, fragte Isabell.
»Sieht schlecht aus. Wir sollten besser Gustavo anrufen und ihn bitten, uns zu fahren.«
»Das wollte ich sowieso schon tun.« In zweieinhalb Stunden ging ihr Flieger. »Vielleicht ist das das Zeichen, dass ich hierbleiben soll.«
»Isabell, ich weiß, dass du nicht nach Deutschland willst.« Katja Pötter runzelte die Stirn und musterte ihre Tochter mit durchdringendem Mutterblick. Dem Blick, dem man nichts entgegenhalten konnte. »Wir würden dich auch lieber hierbehalten. Das weißt du.«
»Und warum schickt ihr mich dann weg?« Isabellüberlegte, ob sie nicht einfach weglaufen sollte. Wenn sie den Flug verpasste, dann könnte sie nochmals versuchen, ihre Eltern umzustimmen. Auf ein Wunder oder den Ausbruch des Pacaya-Vulkans wagte sie nicht mehr zu hoffen. »Warum kann ich nicht auf der deutschen Schule in Guatemala bleiben und dort meinen Abschluss machen?«
»Ach, Isabell«, mischte sich ihr Vater ein. »Das haben wir schon tausendmal besprochen. Erstens werden auch wir Guatemala verlassen. Unser Projekt läuft aus. Zweitens haben wir Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit du dein Abitur in Deutschland machen kannst …«
Er schwieg einen Moment. Dann holte er tief Luft. »Und drittens …«
Isabell beobachtete, wie Katja Pötter ihrem Mann einen Stoß mit dem Ellbogen versetzte und mit dem Kopf schüttelte. Verheimlichten ihre Eltern etwas?
»Liebes.« Jetzt wusste Isabell, dass sie verloren hatte. Egal, was sie noch sagen würde, gegen ihre Mutter käme sie nicht an. »Manchmal musst du darauf vertrauen, dass wir als deine Eltern wissen, was richtig ist.«
Isabell blieb nichts anderes übrig, als zu nicken. Ihre Mutter hatte wahrscheinlich recht, aber … sie wollte nicht weg aus Mittelamerika, wollte nicht in das kalte Deutschland, das sie von den Weihnachtsbesuchen bei Omaha kannte.
»Ich könnte doch hier studieren«, wandte sie ein. Mit ihrem fließenden Spanisch würde sie an der Universität kaum
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