Im Land der letzten Dinge (German Edition)
laufen hatte, umso besser für ihn. Es gelang mir, Sam für den Rest dieses Tages nichts von dieser Begegnung zu erzählen. Es war durchaus nicht sicher, dass Dujardins Vetter etwas für mich haben würde, aber wenn das Geschäft zustande kam, sollte es eine Überraschung sein. Ich bemühte mich, nicht davon auszugehen. Unser Geldvorrat war auf unter hundert Glots abgesunken, und der Betrag, den ich Dujardin genannt hatte, war lächerlich klein – höchstens elf oder zwölf Glots, glaube ich, vielleicht auch nur zehn. Andererseits hatte er bei meinem Angebot nicht mit der Wimper gezuckt, und das schien mir ein Zeichen der Ermutigung. Jedenfalls reichte es, meine Hoffnungen wachzuhalten, und die nächsten vierundzwanzig Stunden verbrachte ich in einem Strudel von Erwartungen.
Am folgenden Tag trafen wir uns um zwei Uhr in der Nordwest-Ecke des Hauptsaals. Dujardin erschien mit einer braunen Papiertüte, und sobald ich die sah, wusste ich, dass die Sache gut ausgegangen war. «Ich glaube, wir haben Glück», sagte er, nahm mich verschwörerisch beim Arm und führte mich hinter eine Marmorsäule, wo uns niemand sehen konnte. «Mein Vetter hatte ein Paar in Ihrer Größe, und er ist bereit, sie für dreizehn Glots zu verkaufen. Es tut mir leid, dass ich den Preis nicht herunterhandeln konnte, aber mehr konnte ich nicht tun. In Anbetracht der Qualität der Ware ist es noch immer ein ausgezeichnetes Geschäft.» Er drehte sich zur Wand, so dass er mir den Rücken zuwandte, und zog vorsichtig einen Schuh aus der Tüte. Es war ein Wanderschuh aus braunem Leder, für den linken Fuß. Das Material war offensichtlich echt, und die Sohle war aus haltbarem, bequem wirkendem Hartgummi gefertigt – genau das richtige für die Straßen dieser Stadt. Dazu kam noch, dass der Schuh in fast tadellosem Zustand war. «Probieren Sie ihn an», sagte Dujardin. «Er soll ja auch passen.» Er passte. Als ich so dastand und meine Zehen an der glatten Innenfläche der Sohle spielen ließ, war ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. «Sie haben mir das Leben gerettet», sagte ich. «Auf dreizehn Glots können wir uns einigen. Geben Sie mir nur den anderen Schuh, und ich bezahle Sie auf der Stelle.» Aber Dujardin schien zu zögern, und dann zeigte er mir mit verlegener Miene, dass die Tüte leer war. «Soll das ein Witz sein?», fragte ich. «Wo ist der andere Schuh?»
«Ich habe ihn nicht bei mir», sagte er.
«Ach nein, ein mieser kleiner Nepp! Sie halten mir einen guten Schuh unter die Nase, lassen mich das Paar im Voraus bezahlen und präsentieren mir dann für den anderen Fuß ein ramponiertes Stück Plunder. Stimmt’s? Na, tut mir leid, aber auf diesen Trick falle ich nicht rein. Keinen einzigen Glot, ehe ich nicht den anderen Schuh gesehen habe.»
«Nein, Miss Blume, Sie verstehen nicht. Es ist ganz anders. Der andere Schuh ist in demselben Zustand wie dieser hier, und niemand verlangt von Ihnen Geld im Voraus. So wickelt mein Vetter nun mal seine Geschäfte ab, fürchte ich. Er bestand darauf, Sie sollten persönlich in seinem Kontor vorsprechen, um den Handel abzuschließen. Ich versuchte ihm das auszureden, aber er wollte nicht auf mich hören. Bei einem so niedrigen Preis, sagte er, müsse er auf einen Mittelsmann verzichten.»
«Wollen Sie damit sagen, Ihr Vetter habe nicht mal für dreizehn Glots Vertrauen zu Ihnen?»
«Ich gestehe, es lässt mich in sehr schlechtem Licht dastehen. Aber mein Vetter ist ein harter Mann. Er vertraut niemandem, wenn es ums Geschäft geht. Sie können sich denken, wie ich mir vorkam, als er das sagte. Er stellte meine Integrität in Zweifel; das war eine bittere Pille für mich, kann ich Ihnen versichern.»
«Wenn für Sie nichts dabei herausspringt, warum haben Sie sich dann überhaupt die Mühe gemacht, unsere Verabredung einzuhalten?»
«Ich hatte Ihnen mein Versprechen gegeben, Miss Blume, und ich wollte mein Wort halten. Sonst hätte ich ja nur bewiesen, dass mein Vetter recht hat, und ich habe an meine Ehre zu denken, verstehen Sie, ich habe meinen Stolz. Dergleichen ist wichtiger als Geld.»
Dujardin gab eine beeindruckende Vorstellung. Sie war makellos, nichts deutete im Geringsten darauf hin, dass er irgendetwas anderes sei als ein Mann, dessen Gefühle zutiefst verletzt worden waren. Ich dachte: Er will sich die Gunst seines Vetters nicht verscherzen, und deshalb ist er bereit, mir diesen Gefallen zu tun. Er sieht das als Prüfung an, und wenn es ihm gelingt, sie erfolgreich
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