Im Land der Mond-Orchidee
hübschen Rattanmöbeln und
bat sie zu warten. Wenig später erschien eine groÃe, hagere Frau in der Tracht
des Ordens. Ihr folgte eine Laienschwester, die Kaffee und Reiskuchen
servierte.
Neele war verlegen. Sie empfand heftige Schuldgefühle bei dem
Gedanken, dass sie ihr Kind in fremde Hände gegeben hatte, und suchte
unbeholfen nach Entschuldigungen.
Die alte Nonne hatte jedoch durchaus Verständnis für sie. Genau wie
Lennert versicherte sie Neele, dass sie selbst, die Mutter, keine Schuld an der
fremdartigen Erscheinung ihres Säuglings trage. Sie verschränkte nachdenklich
die Finger ineinander. »Schwester Florinda sagte mir, dass Ihre ganze Familie
blond ist und Sie sich nicht erklären können, wieso das Kind so dunkelhäutig
ist, und man sagte Ihnen, dass die Hautfarbe manchmal eine Generation
überspringt. Das würde bedeuten, dass Ihr Vater oder auch ein GroÃvater ein dunkelhäutiger
Mann war. Sie stammen aus der Nähe einer Hafenstadt, da kann es leicht sein,
dass Ihre Mutter die Bekanntschaft eines solchen Mannes gemacht hat, nicht wahr?«
Die Bekanntschaft gemacht! Wie das klang! Neele presste die Lippen
zusammen. Aber konnte sie ihre Mutter denn wirklich verteidigen? Was wusste sie
schon über sie? Vielleicht hatte Käthe ja recht gehabt mit ihrem bitteren
Misstrauen gegen die schöne Elsie.
»Ich weià es nicht«, antwortete sie mit leiser Stimme. »Ich kann
mich an meine Eltern kaum noch erinnern, und meine Tante und mein Onkel
sprachen nur sehr selten über sie.« Dass Elsie noch
lebte, sagte sie nicht. Die Situation war schlimm genug, da musste man nicht
auch noch erfahren, dass ihre Mutter in einer Irrenanstalt eingesperrt lebte.
Sie bat, man möge ihr das Kind bringen. Gleich darauf kam die
Laienschwester mit einem spitzenbedeckten weiÃen Stoffbündel herein, aus dem
ein runzliges, kakaobraunes Gesichtchen mit kahlem Scheitel hervorblickte.
Neele nahm es in den Arm und betrachtete es lange, aber sie empfand keine
Wärme, keine Zuneigung. Sie schämte sich, dass sie ihren eigenen Groll, ihre
eigene Verzweiflung an diesem hilflosen Kind auslieÃ, aber sie war innerlich
wie erstarrt.
»Lassen Sie es doch trinken«, drängte die Nonne.
Neele schüttelte den Kopf. Obwohl ihre Brust schmerzte, brachte sie
es nicht fertig, das Kind zu säugen.
»Es ist ein hübsches Kind«, sagte die Mutter Oberin. »Im Augenblick
sieht es nicht nach viel aus, aber glauben Sie mir, ich habe viele Kinder
gesehen und weiÃ, welche davon schöne Erwachsene werden. Und sein armes Ãhrchen
kann es ja unter den Haaren verstecken.« Mit dieser
Bemerkung schob sie das Spitzenhäubchen ein Stück beiseite und zeigte Neele,
dass das winzige linke Ohr am oberen Rand ein wenig eingedrückt und zweimal
eingekerbt war, als hätte etwas mit spitzen Zähnen hineingebissen.
Glücklicherweise sah man dies wirklich nur, wenn man genau darauf achtete.
Die Laienschwester kam herein und meldete, dass Dr. Bessemer eben
angekommen sei.
Er begrüÃte Neele liebevoll und nahm dann das Kind in den Arm. »Ei,
du wirst einmal eine richtige Prinzessin werden«, sagte er. »Und wie soll es
nun mit Vornamen heiÃen?«
Neele schluckte ein wenig, als sie sagte: »Bethari Elisabeth. Dann
kann man sie auf jeden Fall Beth rufen, und beide Seiten werden zufrieden sein.«
Sie fühlte sich erleichtert, als die kleine Zeremonie vorbei war und
sie Bethari wieder in die Arme nahm. Wenigstens hatte sie jetzt ein
Christenkind, was immer sonst mit dem kleinen Wesen nicht stimmen mochte.
»Darf ich es noch hierlassen?«, bat sie.
»Ich kann es jetzt nicht mitnehmen, und hier weià ich, dass es in guten Händen
ist.«
Die Ãbtissin stimmte zu. »Lassen Sie sich Zeit«, mahnte sie, als sie
sah, wie Neele von Schuldgefühlen gequält wurde. »Es ist eine sehr schwierige
Situation für Sie, und ich habe auch schon andere Mütter erlebt, die eine ganze
Weile brauchten, um sich an ihre Mutterschaft und an das Kleine zu gewöhnen.
Seien Sie versichert, dass es Bethari hier an nichts fehlen wird.«
Neele lächelte schwach. Sie dachte an die Kinder, die sie drauÃen
auf dem Rasen spielen gesehen hatte und die allesamt einen glücklichen und
zufriedenen Eindruck machten, obwohl viele von ihnen sichtlich an geistigen
oder körperlichen Behinderungen litten.
»Kommen Sie wieder, wenn Sie
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