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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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eine Entscheidung getroffen haben.« Die Äbtissin öffnete ihr die Tür. »Aber lassen Sie sich
nicht von Ihrem schlechten Gewissen zur Übernahme einer Verantwortung drängen,
für die Sie innerlich noch nicht reif sind.«

3
    D r. Bessemer hatte
es eilig, seine junge Braut heimzu führen. Schon eine Woche nach dem Ende des
offiziellen Aufgebots war der Hochzeitstermin festgesetzt. Es würde eine große
Hochzeit werden, mit vielen illustren Gästen, wie es dem Rang und der
allgemeinen Beliebtheit des Bräutigams entsprach. Nicht eingeladen war jedoch
Ameya – und Neele.
    Paula litt offensichtlich darunter, ihr das mitteilen zu müssen. Sie
sah deprimiert aus, als sie die Freundin zu einem Gespräch unter vier Augen
bat. »Ich dachte«, begann sie, »es ist besser, wenn ich es dir sage, als wenn
Phöbus es tut. Du kannst mir glauben, es ist ihm sehr unangenehm, aber auf der
anderen Seite wollen wir einen Skandal vermeiden.«
    Â»Mich einzuladen wäre Anlass für einen Skandal?«,
fragte Neele. »Warum?«
    Â»Neele, versteh doch … Dein dunkelhäutiges Kind! Nach dem Gesetz
dieses Landes bist du eine Farbige.«
    Neele war so verblüfft, dass es ihr die Sprache verschlug. Natürlich
wusste sie, dass Paula recht hatte, aber sie hatte nie daran gedacht, dass sie
selbst einmal zum Opfer der scharfen Trennung zwischen Europäern und
Einheimischen werden könnte – sie, die aussah wie der Traum eines deutschen
Mädchens! Und das auch noch bei der Hochzeit ihrer besten Freundin und des Mannes,
den sie als einen Freund betrachtet hatte! Es war ihr schon schlimm genug
erschienen, dass Ameya nicht eingeladen war, obwohl er doch Dr. Bessemers
engster Mitarbeiter war. Aber sie? Plötzlich wurde ihr der Zugang zu ihren
Freunden verschlossen, weil ihr Kind eine dunkle Hautfarbe hatte?
    Die unglückliche Paula versuchte, ihr den bitteren Bissen so gut wie
möglich zu versüßen. »Wir werden eine kleine private Feier machen, zu der du
natürlich herzlich eingeladen bist, genauso wie Ameya. Aber bei einem offiziellen
Fest würde deine Gegenwart nur Anlass zu Ärger geben, und das wäre doch auch
für dich schrecklich, nicht wahr? Möchtest du wirklich riskieren, dass alle
dich anstarren und über dich tuscheln?« Als Neele
verbittert schwieg, setzte Paula fast unter Tränen hinzu: »Nun mach mir doch
keinen Vorwurf daraus. Ich werde in diesem Land leben und muss mich an seine
Gesetze und Bräuche anpassen.«
    Â»Ich verstehe schon.« Neele brachte kaum
die Worte heraus. Nicht, dass sie unbedingt an der Hochzeit teilnehmen wollte!
Sie fand kein großes Vergnügen an solchen aufwendigen Zeremonien mit ihren
Hunderten Teilnehmern und Zaungästen. Aber ausgeschlossen zu werden, als hätte
sie etwas verbrochen, tat doch weh. Mit kalter Stimme sagte sie: »Ich werde
euch sicher nicht die Schande antun, auf eurer Hochzeit aufzukreuzen. Und du
brauchst meinetwegen auch keine kleine private Feier zu veranstalten. Ich wäre
bei einer solchen Feier doch dieselbe Mischlingsbrut wie bei eurer offiziellen
Hochzeit, nicht wahr?«
    Paula schwieg. Beide Frauen fühlten, wie die Kluft zwischen ihnen
mit jedem Augenblick tiefer wurde. Und dabei wusste Neele, dass sie weder Paula
noch Phöbus die Schuld geben konnte. Beide mochten den besten Willen haben, sie
einzuladen, aber wenn sie es taten, würde ihre Hochzeit von einem Skandal
überschattet werden. Es war weder die Zeit noch der Ort, den Gebräuchen des
Landes zu trotzen.
    Â»Lass gut sein«, sagte sie müde. »Ich mache euch keinen Vorwurf.
Aber ich sehe auch, dass uns beide nichts mehr verbindet. Geh deinen Weg, und
ich gehe meinen.« Damit erhob sie sich und verließ den
Garten, um sich im Haus wieder an ihre Arbeit zu machen.
    Zurück blieb Lennert, der wie die meisten Junggesellen kein
besonderes Interesse an Hochzeitsvorbereitungen hatte und sich freute, seine
Schwester in guten Händen zu wissen, um sich in aller Ruhe wieder seinen
eigenen Plänen widmen zu können. Zwar musste er an der Zeremonie teilnehmen, um
seine Schwester als Brautführer zum Altar zu geleiten, aber sobald die Trauung
vorbei war, wollte er sich mit dem ersten verfügbaren Schiff auf den Weg nach
Australien machen.
    Neele war überrascht. Sie hatte gewusst, dass er vorhatte, bald nach
der Hochzeit seiner Schwester abzureisen, aber dass es ihm

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