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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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er sie arrogant, beschränkt und habgierig, ohne jedes
Gefühl für die Kultur, in die sie eingebrochen waren und die für sie nichts
weiter als eine Schatzkiste war, die sie mit beiden Händen leerräumten. Die
Goldgräber, sagte er mit einem schrägen Lächeln, mochten zwar auch habgierige
Dummköpfe sein, aber wenigstens seien sie nicht arrogant.

Neeles Tochter
    1
    D er Mai kam, und
Neeles Schwangerschaft näherte sich dem Ende. Eines Morgens war sie eben dabei,
den Reiskuchen aufzuschneiden, da spürte sie plötzlich, wie ein schwerer Krampf
ihren Körper durchschauerte. Ihr war zumute, als hätte sie ein jäher,
schmerzhafter Durchfall überkommen, sodass sie sich an den Türpfosten klammerte.
Ihre Knie brachen ein, und der Kreis des Lampenlichts verschwamm ihr vor Augen.
Immer heftiger wurden die Leibschmerzen, bis sie aufschrie und Schwester
Florinda an ihre Seite eilte.
    Â»Das Kind«, ächzte sie. »Das Kind …«
    Die Nonne half ihr aufs Zimmer und holte eine Schüssel warmes Wasser
und saubere Tücher. Neele hatte sich vor der Geburt gefürchtet, aber so heftig
der Schmerz war, so erstaunlich rasch ging er vorbei. Nach kaum einem Dutzend
Wehen spürte sie, wie das Kind ans Licht drängte, sie presste mit aller Kraft,
und dann stieß die Nonne auch schon einen Freudenschrei aus. »Es ist da, Frau
Selmaker, es ist da!« Gleichzeitig ließ das Neugeborene
einen dünnen, krächzenden Schrei hören, der sich eher nach einer jungen Eule
anhörte als nach einem Menschenkind – aber Hauptsache, es atmete!
    Die Mutter sank in sich zusammen und schloss erschöpft die Augen,
während die Nonne die Nabelschnur durchtrennte, das Kind abwusch und in saubere
Tücher hüllte. Sie brauchte eine Weile, bis sie wieder ruhig atmen konnte und
der Schmerz so weit nachließ, dass sie die Frage stellte: »Was ist es, ein
Junge oder ein Mädchen?«
    Â»Sehen Sie selbst«, antwortete Schwester Florinda mit einer seltsam
ausdruckslosen Stimme. Sie wandte sich um und reichte Neele ein Kind, dessen
Haut das unverkennbare Kakaobraun der Einheimischen hatte.
    Â»Was soll das heißen?«, fragte die Nonne
mit finsterem Blick. »Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass dieses Kind
von Ihrem Mann in Deutschland abstammt? Sagten Sie nicht die ganze Zeit, wie
blond und blauäugig er gewesen sei? Mir scheint, Sie haben uns alle an der Nase
herumgeführt, und das wird man Ihnen hier sehr übelnehmen!«
    Neele war fassungslos. Erst konnte sie nicht glauben, was sie sah.
»Das ist nicht mein Kind«, stammelte sie. »Dieses Kind ist verhext.«
    Schwester Florinda schwieg und starrte sie vorwurfsvoll an.
    Neele ließ sich in das Kissen zurücksinken. Was sollte sie sagen?
Tante Käthes Worte klangen ihr in den Ohren: Deine Mutter war eine Schlampe,
die der Wind ins Dorf geblasen hat.
    Sie nahm das Kind nur mit Widerwillen entgegen, so fremdartig
erschien es ihr. Nie im Leben war dieses Geschöpf in ihrem Schoß
herangewachsen. Sie schob die Tücher auseinander, stellte fest, dass es ein
Mädchen war, und hielt es unbeholfen im Arm. Mit zitternder Stimme wiederholte
sie, dass sie nichts sagen könne und wolle. Sie wisse nicht, was geschehen war.
Waren die beiden Freunde nicht die ganze Zeit bei ihr gewesen? Hatten sie nicht
gewusst, dass sie schwanger gewesen war, als sie Deutschland verließ, das Kind
also von ihrem Mann stammen musste?
    Schwester Florinda war sichtlich schockiert, aber geistesgegenwärtig;
sie schloss rasch die Zimmertür, um zu verhindern, dass Neugierige ins Zimmer
eindrangen. »Hören Sie, Neele«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie dieses Kind auf
die Welt gekommen ist, aber eines kann ich Ihnen sagen: Es wird keine Freude an
seiner Existenz haben. Die deutsche Gemeinschaft hier wird Sie ächten und das
Kind so schlecht behandeln, dass es kaum die Nase aus dem Haus zu stecken wagt,
und die Javaner werden das Gleiche tun. Fremde Kinder werden hier geduldet,
solange es die Kinder eines reichen Arabers oder eines holländischen Beamten
sind, aber sicher nicht die halb deutschen Kinder einer armen alleinstehenden
Frau.«
    Neele fühlte sich erdrückt von diesen Vorwürfen, umso mehr, als sie
sich keiner Schuld bewusst war. Verzweifelt fragte sie: »Und? Was soll ich tun?
Es den Raubtieren vorwerfen?«
    Die Nonne machte eine unwirsche Geste. »Wenn Sie

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