Im Land der Mond-Orchidee
sie herfallen!
2
P aula zeigte
Verständnis für die Situation der jungen Mutter. Die Nonnen hielten sich mit
Fragen zurück, wenn auch ganz offensichtlich nur, weil Schwester Florinda ihnen
das geboten hatte. Aber Dr. Bessemer sah bei seinem nächsten Besuch, dass sie
geboren hatte, und wollte alles wissen, was man unter solchen Umständen fragt:
ob es gesund sei, ob es ein Junge oder ein Mädchen sei, und natürlich wollte er
es sehen.
Ihr blieb kein anderer Ausweg, als dass sie ihm unter vier Augen
erzählte, was geschehen war. Er runzelte die Stirn. »Das ist ein Unglück für
Sie und Ihr Kind, Neele, erlauben Sie mir, das so offen zu sagen! Sie können
von Glück reden, dass Schwester Florinda so rasch und klug reagiert hat. Ich
glaube auch, dass ihre Idee das Beste war, was man für dieses arme kleine Ding
tun konnte. Es wird unter Javanern aufwachsen und sich als Javanerin fühlen.«
»Und wenn es eines Tages selbst Kinder bekommt, die dann blond und
blauäugig sind?«
»Das muss nicht der Fall sein. Und selbst wenn es so wäre, Neele,
wir können nicht in alle Zukunft hinaus Entscheidungen treffen. Ihre Tochter
wird eines Tages selbst eine Lösung finden müssen. Bis dahin müssen Sie tun,
was im Augenblick das Richtige ist.«
»Was wird Ameya sagen? Ich kann ihn nicht anlügen.«
Phöbus Bessemer zuckte die Achseln. »Ich weià es nicht. Sie müssen
ihn selbst fragen.«
Nach diesem Besuch war Neele lange Zeit tief in Gedanken. Immer
wieder stand ihr vor Augen, wie ihr Kind heranwuchs, heiratete und Kinder bekam
und eine ebenso bestürzende Ãberraschung erlebte wie sie selbst. Würde man sie
nicht von allen Seiten beschuldigen, die Ehe gebrochen zu haben? Welche
Schicksalsschläge mochten sie treffen, wenn sie den Verdacht nicht entkräften
konnte?
SchlieÃlich fand sie eine Lösung. Sie setzte sich hin und schrieb
einen Brief an ihre Tochter, in der sie ihr die Sachlage erklärte. Diesen
Brief, so beschloss sie, würde sie bei der Taufe Dr. Bessemer überreichen mit
der Bitte, davon Gebrauch zu machen, wenn es sich als notwendig erweisen
sollte. Den Brief zu schreiben linderte ihr schlechtes Gewissen ein wenig, und
sie schlief ruhiger als in den Nächten zuvor. Neele war nicht sonderlich fromm â Tante Käthes religiöse Erziehung hatte etwas geradezu Abschreckendes an sich
gehabt â, aber sie bestand dennoch darauf, dass ihr Kind getauft wurde, und
natürlich waren die Klosterschwestern derselben Meinung. Eine Woche nach der
Geburt machte sie sich auf den Weg zu der Zeremonie. Schwester Florinda hatte
alles arrangiert. Im Mutterhaus des Ordens würde ein Priester anwesend sein,
der die Taufe vornahm, und Neele hatte Dr. Bessemer gebeten, Pate zu sein.
Obwohl er sich selbst als Skeptiker bezeichnet hatte, war er hocherfreut über
ihre Bitte gewesen, und sie war sicher, dass niemand ihr Kind so gut beschützen
würde wie dieser ehrbare und zuverlässige Mann.
Sie fuhr allein mit dem Einspänner, um kein Aufsehen zu erregen. Der
Morgen war kühl und frisch nach einer verregneten Nacht. Ein leichter Wind
blies vom Meer herein. Das leichte Gefährt ratterte los. Sie klatschte mit den
Zügeln auf den Rücken des Pferdes, um möglichst bald aus dem Urwaldtunnel
hinaus und in die offene, freundliche Landschaft der deutschen Siedlungen zu
kommen. Es war kein weiter Weg bis zum Mutterhaus des Ordens, zwei Stunden, und
sie hatte es erreicht.
Die Häuser hier waren weiÃ, mit roten Ziegeldächern, und alle von
Gärten umgeben. Dann und wann unterbrachen ein paar europäische Läden die Reihe
heller Fronten, oder der Obstkarren eines Einheimischen stand voll beladen mit
Bananen, Betelfrüchten und Kokosnüssen im Schatten unter den Bäumen. Sie bog in
eine Allee von schirmförmigen Palmen ein und sah am Ende das Ordenshaus liegen,
weiÃ, mit einem weit ausschwingenden roten Dach und einem Glockentürmchen. Eine
groÃe Schar von Kindern war auf dem Rasen vor dem Haus unterwegs. Die Kleineren
lärmten und spielten, während die GröÃeren an hölzernen Tischen saÃen und
lernten. Als Neele ihr Gespann vor dem Eingangstor anhielt, kam eine
dunkelhäutige Frau angelaufen, die wohl eine Laienschwester war, und fragte
nach ihrem Begehr. Sie bat darum, die Ãbtissin sprechen zu dürfen.
Man führte sie in einen gewölbten Raum mit
Weitere Kostenlose Bücher