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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Treppe hinaufgeklettert war und sich oben aufs Deck
setzte, das verbundene Bein von sich gestreckt, setzte Paula sich neben sie und
erzählte ihr, wie hilfsbereit Dr. Bessemer gewesen war. Im Gegensatz zu dem
sparsamen Bordarzt hatte er sie mit reichlich Chinin eingedeckt und seinen
Diener dazu abgestellt, alle naslang um kaltes Wasser zu laufen. Ohne seine
Hilfe, sagte Paula, hätten sie es nicht geschafft, Neele ständig mit kalten
Wickeln zu versorgen und so ein weiteres Ansteigen des Fiebers zu verhindern.
    Neele lächelte. »Ich muss mich bei ihm bedanken. Aber was ist mit
meinem Knie? Es wird doch nicht steif bleiben?«
    Paula beruhigte sie. Das Knie war zwar in einem hässlichen Zustand
gewesen, als die Splitter herauseiterten, aber sie hatten es mit Salben und
Umschlägen behandelt, die der Arzt ihnen gegeben hatte; es würde bald wieder in
seinem ursprünglichen Zustand sein.
    Â»Ich war fest überzeugt, ich würde sterben«, sagte sie. »Meinst du,
es waren Dr. Bessemers Chilischoten, die mich geheilt haben?«
    Â»Das hast du mitbekommen? Du sahst so elend aus, dass ich gar nicht
dachte, du könntest ihn hören. Er erzählte mir, dass er früher viel zu Pferde
auf Reisen war, und da nahm er sich immer Heilmittel mit, die ihm der
einheimische Schamane empfahl. Er hat volles Vertrauen in all diese Kräuter und
Gewürze. Er sagt, die Eingeborenen haben auch nichts anderes, um sich zu
kurieren, und doch werden sie gesund, also muss es mindestens so nützlich sein
wie unsere Arzneien.«

5
    P aula Anderlies
lehnte allein an der Reling und starrte auf das entnervend öde Meer hinaus. Als
sie von hinten angesprochen wurde und sich umwandte, fand sie sich Dr. Bessemer
gegenüber, der sie anlächelte.
    Â»Sie scheinen sich sehr zu langweilen«, sagte er. »Vielleicht kann
ich Ihnen ein wenig Unterhaltung bieten?«
    Paula lächelte zurückhaltend. Es wäre ihr sehr unangenehm gewesen,
wenn er gemerkt hätte, welchen Eindruck er auf sie gemacht hatte. Er war ja
nicht mehr jung, und das Leben in den Tropen hatte harte Spuren in seinem Äußeren
hinterlassen, aber seine Intelligenz und noch mehr seine freundliche
Aufmerksamkeit hatten sie angezogen. War es denkbar, dass er, genau wie sie, in
ihrer Bekanntschaft etwas Ernsthafteres gefunden hatte als ein zeitweiliges
Mittel gegen die tödliche Langeweile? Auf jeden Fall erfuhr sie, dass er seit
Langem verwitwet war. Seine Frau, sagte er, hatte sich bald nach ihrer Ankunft
in Batavia ein böses Fieber zugezogen und war daran gestorben. Er hatte damals
erwogen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Eine Weile sei ihm das Land vergällt
gewesen, sodass er nichts als fort wollte. Da er sein ganzes Geld für die
Herfahrt verbraucht hatte und Geld für die Rückreise erst verdienen musste,
hatte er nicht gezögert, als man ihm einen Posten im Dienst der Kolonialbehörde
anbot, obwohl es ihm sauer aufstieß, als Deutscher für die Holländer zu
arbeiten. Und während er arbeitete und sparte, hatte sich Java in sein Herz
geschlichen. Als er schließlich die Möglichkeit gehabt hätte, hatte er gar
nicht mehr fahren wollen.
    Â»Jetzt werde ich wohl dort begraben werden«, sagte er. »Und es ist
wirklich nicht der schlechteste Ort dafür.«
    Er zeigte sich sehr interessiert an ihr, stellte viele Fragen nach
ihren Neigungen und stellte schließlich in Aussicht, dass er sie bald nach
ihrer Ankunft besuchen würde, um sich persönlich zu vergewissern, dass es ihr
gut ging. »Ich zweifle zwar nicht daran, dass Sie sich bei uns rasch einleben
werden, denn Sie sind eine kluge Frau, und ich glaube, Sie sind mit einem
offenen und freudigen Herzen gekommen – aber nachsehen möchte ich doch. Sofern
es Ihnen angenehm ist, meine ich. Und bis dahin möchte ich Sie warnen. Wenn man
in ein fremdes Land kommt, ist man für jeden dankbar, der die eigene Sprache
spricht und weiß, aus welcher Ecke der Welt man kommt. Das wird manchmal ausgenutzt.
Es gibt Betrüger und Gauner, die sich geradezu auf neu Zugereiste spezialisiert
haben. Damit will ich niemand beschuldigen, ich rate Ihnen nur, Ihren Verstand
gut zu nutzen!«
    Â»Wir werden uns auf jeden Fall sehr über Ihren Besuch freuen«,
antwortete Paula. Sie hatte rasch von ihnen in der Mehrzahl gesprochen, denn
als sein Interesse so offensichtlich ihr allein galt, war sie heftig errötet

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