Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
Vom Netzwerk:
schmal und voll von gefährlichen Sandbänken, sodass der Kapitän sein großes
Schiff nur mithilfe eines einheimischen Lotsen und behutsam mit »kleiner Fahrt«
hindurchzusteuern wagte. Die meisten Zwischendeckpassagiere standen an Deck,
sie konnten den Blick nicht abwenden von dem Land, das ihre zukünftige Heimat
sein sollte.
    Nachdem sie tagelang kaum ein anderes Schiff gesehen hatten,
wimmelte es nun plötzlich nur so von ihnen, denn die Sundastraße war viel
befahren. Für eine derart gefährlich schmale Wasserstraße herrschte enormer Betrieb:
Fünf Mal monatlich gingen Dampfer nach Semarang und Surabaya, drei Mal nach
Singapur, ein Mal nach Borneo, Makassar und Timor und ein Mal nach Brisbane im
australischen Queensland. Mächtige holländische und englische Kriegsschiffe
tauchten aus dem Dunst auf, der über dem Wasser lag, Frachtdampfer und
Postboote und dann, als sie die Küstenstadt Anjer erreichten, ein wimmelndes
Durcheinander von kleinen Schiffen.
    Sie fuhren jetzt an der javanischen Küste entlang, während die Küste
von Sumatra immer mehr ihren Blicken entglitt. Die Meerenge war voll mit
kleinen Inseln, die sich der Meisje Mariaan in den
Weg stellten. Eine trug sogar den entsprechenden Namen: Sie hieß »dwars in de
weg«, weil sie die Fahrrinne gefährlich verengte. Dr. Bessemer nannte seinen
Reisegefährtinnen ihre Namen: Sebesi, Sebuku, Panitan, Sangiang und die
Krakatauinseln. Alle diese Inseln hatten die Form von Schloten, wobei diese
manchmal hoch und steil in den Himmel ragten, während sie andernorts
eingestürzt waren und als Trümmerhaufen den Sockel bedeckten. Es gab richtige
Berge darunter, aber auch solche, die kaum mehr als raue Felsplatten waren.
Manche waren dicht mit einem graugrünen Urwald bewachsen, aber andere waren
kahl, verbrannt von der Glut der herabfließenden Lava, und über ihnen schwebten
Ascheschleier, die einen bitteren Geruch verströmten. Wenn der Ozeanriese an
einer solchen Insel vorbeifuhr, wurde die Luft neblig wie im Herbst, und die
Passagiere an Deck mussten husten.
    Neele starrte die Felsformationen atemlos an. »Das sind Vulkane?«
    Dr. Bessemer nickte. »Teilweise nur ganz kleine, aber durchaus ernst
zu nehmende Vulkane. Sehen Sie diese schwarzen Rauchfäden? Die steigen aus
Rissen im Gestein auf, die man Fumarolen nennt. Wir fahren zurzeit sozusagen
über einen riesigen, gut geheizten Ofen mit einer Menge Schornsteinen.«
    Â»Aber warum«, fragte Paula, die neugierig die Zwergvulkane
anstarrte, »löscht das Wasser ihn nicht aus? Manche dieser Inseln erheben sich
nur knapp über den Wasserspiegel. Eine große Welle, wie von einem Kriegsschiff,
müsste genügen, um die Glut auszulöschen!«
    Â»Oh ja«, erwiderte der Kontrolleur, »das gibt schon ordentlich
Dampf, wenn ein Sturm durch die Sundastraße fegt und das Wasser aufwühlt. Dann
geraten viele dieser kleinen Vulkane unter Wasser und sind verschwunden. Aber
am nächsten Tag tauchen sie irgendwo anders wieder auf. Das macht die
Durchfahrt hier so gefährlich. Alles verschwindet und entsteht wieder neu.
Sehen Sie diese großen grauen Brocken, die da herumschwimmen?«
Er deutete mit seinem Stock auf etwas, das wie Eisbrocken aussah. »Das ist
Bimsstein – aufgeschäumte Lava, die vom Wasser abgekühlt wurde.«
    Neele hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Sie war in Gedanken noch
immer bei etwas, das er vorher gesagt hatte. »Was meinten Sie damit, dass wir
über einen riesigen, gut geheizten Ofen fahren?«
    Â»Nun, woher kämen sonst die Vulkane? Unter der Erde ist
feuerflüssiges Gestein, das nach oben gepresst wird, und wenn es irgendwo ein
Loch findet – oder sich eines reißen kann –, dann strömt und spritzt es dort
heraus.«
    Neele schwieg. Dr. Bessemers Worte machten ihr
furchtbare Angst, aber sie wollte es weder ihn noch die Doktorsleute merken
lassen. Sie hätten ihr ja doch nur wieder den Kopf gewaschen: Reiß dich
zusammen! Jammer nicht dauernd! Aber hatten sie ihr nicht versprochen, dass die
gefährlichen Vulkane sich tief im Landesinneren befanden? War dies hier
vielleicht das Landesinnere? Sie konnte ja förmlich in diese Glutlöcher hineinsehen,
wenn der Liner an ihnen vorüberfuhr, sie sah den schwachen roten Schein, der
unter der Aschenhaube schimmerte, und sie sah überall im Wasser den grauen
Bimsstein, ein

Weitere Kostenlose Bücher