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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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und er hatte es bemerkt! Er war genauso verlegen geworden wie sie und fing an,
sein Gesicht mit einem Taschentuch abzutrocknen.
    Sobald Dr. Bessemer sich verabschiedet hatte und die Geschwister
allein waren, trat Paula an ihren Bruder heran, schob die Hand unter seinen Arm
und verschränkte die Finger in seinen. »Gibst du mir eine ganz ehrliche Antwort,
Lennert?«
    Er zögerte unsicher, dann zuckte er herausfordernd die Schultern.
»Gewiss doch, warum sollte ich dich denn anlügen?«
    Â»Dann sag mir, mit wem du den Amtmann verkuppeln willst. Mit Neele
oder mit mir?«
    Lennert japste förmlich nach Luft und lief vor Verlegenheit rot an.
»Aber ich habe doch nicht …«
    Â»Komm, du hast versprochen, mich nicht zu belügen. Du hast ihn nicht
nur mit uns bekannt gemacht, damit wir uns gegenseitig die Zeit vertreiben.
Also? Welche ist es?«
    Lennert war es noch nie gelungen, sich gegen seine Schwester
durchzusetzen, und so seufzte er nur und sagte: »Er hat mich gebeten, ihn mit
dir bekannt zu machen. Und damit es nicht irgendwie ungehörig aussieht, mussten
wir natürlich Neele dazubitten. Wir konnten sie doch nicht auf einer Taurolle
sitzen lassen, während wir uns verwöhnen lassen.« Dann wechselte er die Tonart,
legte sich etwas Herausforderndes zu. Was sei denn so schlimm daran? Der
Amtmann sei zwar schon ein etwas älterer Herr, aber in hoher Position,
angesehen und wohlhabend, und hätte sie das Gespräch mit ihm nicht genossen?
Was sei dann falsch daran, wenn er ihre Bekanntschaft vermittelte? Sie wäre ja
nicht gezwungen, ihn zu nehmen, wenn es ihr denn gar nicht passte. Aber dann
müsse sie bedenken, dass es in ihrem Alter nicht mehr ganz so leicht sein
würde, einen Mann zu finden, und sie besser nähme, was sich anbot.
    Paula ärgerte sich, als ihr so rundheraus gesagt wurde, dass sie als
spätes Mädchen nicht mehr zu vermitteln wäre, aber lügen wollte sie auch nicht,
also sagte sie: »Gewiss gefällt er mir, und zwar besser als mancher junge
Spund, der sich nur wichtig macht mit seinem Pferd, seinem Gewehr und all den
Herzen, die er schon gebrochen hat. Aber ich bin nicht nach Java gekommen, um
zu heiraten, sondern um zu arbeiten.«
    Â»Niemand verbietet dir das. Und du könntest sehr gut beides tun. Es
ist niemals von Nachteil, mit den höchsten Behörden auf gutem Fuß zu stehen.«
    Sie starrte lange auf das glitzernde Meer hinaus. Dann sagte sie:
»Er sagte, er habe den Tod seiner Frau letztendlich überwunden, aber er muss
ein sehr einsamer Mann sein. Keiner, der Runde um Runde mit seinen ebenfalls
ledigen Kollegen säuft oder sich eine Mätresse hält. Das gefällt mir an ihm.
Aber, wie du sagst, ich kann mir die Sache noch oft genug durch den Kopf gehen
lassen. Bring ihm diese Botschaft, wenn du zu ihm gehst, denn fragen wird er
dich sicherlich.«
    In Bombay gab es wieder einen kurzen Aufenthalt mit demselben
Ausgehverbot wie in Dschibuti. Weiter ging es entlang der indischen Küste nach
Ceylon, wo sie im Hafen von Colombo anlegten, und dann tauchte eines Morgens
aus dem Dunst die äußerste Spitze der Insel Sumatra auf.
    Als die Nachricht sich im Schiff verbreitete, man habe Land
gesichtet, stürzte alles an Deck. Es war Vormittag, und Neele musste sich den
Hut vors Gesicht halten, um nicht von der grellen Tropensonne geblendet zu
werden. Vorderhand war nichts weiter zu sehen als eine ferne, unbestimmte
Linie, aber da die Meisje Mariaan mit Volldampf
unterwegs war, wandelte diese Linie sich bald zu einer wolkenartigen Wölbung
und schließlich zu einer sattgrünen Landmasse. Dort sollte der Liner in Padang
noch einmal anlegen, ehe er sich auf die gefährliche Fahrt durch die
Sundastraße machte.
    Die drei jungen Leute standen in Dr. Bessemers Gesellschaft unter
einem der Sonnensegel an Deck und beobachteten die langsam deutlicher werdende
Küste. Die Meisje Mariaan änderte ihren Kurs von
Südost auf Südsüdost, denn um Padang anzulaufen, musste sie zwischen dem
Festland von Sumatra und einer Inselkette hindurchfahren, die sich in lang
gestreckter Reihe wie ein Schutzwall vor der Westküste der Insel entlangzog.
Sie machten einen kurzen Halt in Padang, dann bogen sie nordwärts in die
Sundastraße ein, die Meerenge, die den Indischen Ozean mit der Javasee und dem
Südchinesischen Meer verband. An ihrer rechten Seite lag Java. Diese Durchfahrt
war

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