Im Land der Mond-Orchidee
an Pfeffer, Muskat und Nelken ungeheure
Gewinne einbrachte. Vor allem Pfeffer wurde in der ganzen Welt mit Gold aufgewogen,
und unablässig zogen die portugiesischen Schiffe, vollbeladen mit den Früchten
der Insel, in ihre Heimat. Freilich, die volle Härte einer Kolonialmacht hatte
das Land tatsächlich erst zu spüren begonnen, als die Holländer â die selber eben
erst das Joch der spanischen Habsburger abgeschüttelt hatten â ihre Schiffe in
die Welt schickten. Auf Java war 1596 eine Flotte unter einem Admiral Cornelis
de Houtman gelandet, der einen Vertrag mit dem Sultan von Banten schloss.
Banten war damals die bedeutendste Stadt Südostasiens und der gröÃte
Pfefferhafen von Java. Was van Houtman von der Reise, bei der dieser unfähige
Kapitän und brutale Leuteschinder zwei Schiffe und den gröÃten Teil seiner
Mannschaft verlor, nach Amsterdam zurückbrachte, waren ein Geschäftsvertrag mit
dem Sultan von Banten und fünf Tiegel mit Pfeffer. Sie stellten einen Wert dar,
der die Verluste dieser unglückseligen »eersten scheepvaart« mehr als
wettmachte. Holland geriet in einen Taumel der Habgier. Zahllose Schiffe brachen
zu den Gewürzinseln auf, Kapitäne und Kaufleute waren nur von dem einen
Gedanken besessen, so viel wie möglich von diesen Schätzen in die Speicherhäuser
in Amsterdam zu schaufeln.
Dr. Bessemer stimmte seinem Kollegen zu. Ja, der tatsächliche Anfang
der Kolonialisierung Javas war jener unglückselige Vertrag gewesen, den der
Sultan von Banten sich von Cornelis von Houtman â den er später seines
rüpelhaften Benehmens wegen aus dem Land warf â hatte abnötigen lassen.
Lennert lauschte angespannt. Er hatte sich vor der Reise informiert,
so gut er das mithilfe von Meyers Konversations-Lexikon zu tun vermocht hatte, aber als er die Geschichte von zwei hier Ansässigen
erzählt bekam, hörte sie sich doch ganz anders an.
Abseits des Platzes kamen sie dann durch die Wohnviertel von
Weltevreden. Man wähnte sich in einem riesigen Park, so locker verstreut lagen
die Gebäude zwischen Bäumen und Rasenflächen. Grün spross aus jeder Ritze,
Bougainvilleen hingen in berauschender Menge über allen Mauern und Balkonen.
Die warme Luft schmeckte nach Salz, roch nach Kokosöl und feuchtem Laubwerk.
Die alten, himmelhohen Bäume, die in jeder Lücke zwischen den Gebäuden
aufragten, die wuchernden Ranken, das Geschlinge der Luftwurzeln lieà keinen
Zweifel daran, dass dieses alles überbordende Grün sich bei erster Gelegenheit
auf das so schön gepflegte Weltevreden stürzen und es in eine Wildnis
zurückverwandeln würde.
Während sie fuhren, kam Lennert wieder darauf zu sprechen, in welch
schwieriger Lage sie sich befanden. Zwar hatte man ihnen eine
Ãberbrückungshilfe geboten, aber ewig konnten die beiden Frauen nicht davon
leben, dass sie bei den Hochzeitsvorbereitungen mithalfen, und er selber war
auch nicht ins Land gekommen, um als Laufbursche des alten Doktors zu dienen.
Und wie sollte Neele für das Kind sorgen, das sie erwartete? Sie mussten entweder
festen Boden unter den FüÃen finden oder einen Weg, wieder nach Deutschland
zurückzukehren, eine dritte Möglichkeit gab es nicht.
Dr. Bessemer meinte, sie müssten erst einmal prüfen, wie es um das
Waisenhaus jetzt überhaupt stand. Gehörte das Gebäude, wie die Hagedorns gesagt
hatten, dem Pastor? Oder gehörte es einer Kirchengemeinde, die sich in alle
Richtungen zerstreut hatte, als die gefährliche Krankheit zuschlug? Hatte noch
irgendjemand Ansprüche? Mit allen diesen Fragen waren sie beim deutschen Konsul
an der richtigen Stelle, aber da dieser ein vielbeschäftigter Mann war, würden
er, Bessemer, und sein junger Kollege ihnen aushelfen. Sie würden ihr Bestes
tun, erst einmal Licht in die verworrene Angelegenheit zu bringen. Lennert
selbst hätte ohnehin keine Chance, denn um in Java irgendetwas zu erreichen,
musste man auf jeden Fall Englisch und Holländisch sprechen und am besten noch
einen Dolmetscher für die einheimischen Sprachen an seiner Seite haben.
»Eine groÃe Kirchengemeinde kann es auf keinen Fall gewesen sein«,
bemerkte er. »Die Holländer sind zwar gestandene Calvinisten, aber sie sind
auch Pragmatiker und vermeiden es, die religiösen Gefühle der Einheimischen zu
verletzen. AuÃerdem bleiben die Kolonialherren auch in
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