Im Land der Mond-Orchidee
ihren Kirchen gern unter
sich. Missioniert darf hier nur in sehr gedämpften Tönen werden.«
Ameya fiel ein: »Deswegen hat er seine Mission wahrscheinlich als
Waisenhaus getarnt.«
Lennert konnte sich zwar nicht vorstellen, dass der alte Herr mit
seinem hilflosen Lächeln die Absicht gehabt hatte, irgendjemand durch eine
getarnte Mission hineinzulegen, aber er wollte nicht streiten. Er hatte sehr
deutlich bemerkt, dass die Stimme des jungen Beamten bei den Worten einen
bitteren Beiklang angenommen hatte. Vielleicht hatte Ameya in dieser Hinsicht
einmal persönlich etwas erlebt, das ihn kränkte, oder es gefiel ihm ganz
allgemein nicht, dass die Fremden ihre Religionen mitgebracht hatten.
SchlieÃlich war er, wenn auch in Respekt gebietender Stellung, ein Angehöriger
des unterworfenen Volkes.
2
A ls die Kutsche des
Amtmanns zuletzt um die Ecke vor dem Haus bog, sah Lennert mit Staunen und
Beunruhigung, dass auch der Einspänner der Hagedorns dort stand. War Richard
nur zu einem Besuch vorbeigekommen? Oder war irgendetwas Schlimmes geschehen?
Das Gefährt hatte kaum angehalten, als er hinaussprang und durchs Tor lief. Im
Garten stieà er auf drei Frauen in Sarongs, die sich mit zwitschernden Stimmen
unterhielten. Eine davon war die Alte, die Kaffee gekocht hatte. Lennert rief
ihr zu: »Was ist los? Ist den Frauen etwas zugestoÃen?«
Aber die drei warfen ihm nur kurze Blicke zu und vertieften sich dann wieder in
ihr Gespräch.
Lennert eilte hinein und fand den Pastor in seinem Arbeitszimmer.
Der alte Mann lag auf seinem Sofa auf dem Rücken, die Beine auf Kissen, ein
nasses Handtuch auf der Stirn. Es roch stark nach Essigwasser und Alkohol. Auf
einem Stuhl neben dem Bett saà Frau Hagedorn.
»Ist ja wohl auch Zeit, dass Sie sich blicken lassen, Dr. Anderlies!«, fuhr sie ihn an. »Der alte Doktor ist selber krank,
konnte also nicht kommen, und wo treiben Sie sich herum?«
Lennert achtete nicht auf ihre Vorwürfe, sondern trat an das Lager
und setzte sich neben den Kranken. Er fühlte den Puls, legte die Hand auf seine
Stirn und sah mit Erleichterung, dass der Geistliche nur einen Schwächeanfall
erlitten hatte, wie es bei seiner gebrechlichen Konstitution und dem
bedrückenden Wetter nicht anders zu erwarten war. Es würde ausreichen, wenn er
ruhig liegen blieb, reichlich trank und sich in Essigwasser getränkte Tücher
auf Stirn und Waden legte.
Inzwischen war Dr. Bessemer mit seinem Begleiter hereingekommen. Als
er von dem Unwohlsein des Pastors hörte, wischte er sich mit dem Taschentuch
über die Stirn. »Damit müssen Sie jetzt alle Tage rechnen, lieber Herr Doktor.
Das Wetter wird mit jedem Tag schlimmer, bis der erste groÃe Regen die Hitze
wegwäscht.«
Man stellte sich einander vor, als Lennert Frau Hagedorn für ihre
gutnachbarliche Hilfe dankte und sich entschuldigte, er habe sich keineswegs
herumgetrieben, sondern einen wichtigen Behördenweg zu erledigen gehabt. Die
Frau schien beeindruckt, dass der Amtmann gleich persönlich mit ihm mitgekommen
war, und lud ihn ein, auf einen kühlen Drink in ihr Haus hinüberzukommen â
wobei sie aber sichtlich nur Dr. Bessemer im Visier hatte und nicht seinen
Begleiter. Den ignorierte sie, so weit es ging, und lieà jeglichen Anstand
vermissen. Sie grüÃte ihn weder, noch sprach sie ihn an; was er sagte, schien
sie nicht zu hören, und als sie sich mitsamt ihrem Dienstmädchen
verabschiedete, galten ihre GrüÃe nur dem weiÃen Mann.
Neele ärgerte sich. Wenn der Javaner denselben Rang wie Dr. Bessemer
hatte, dann hatte er zweifellos auch denselben hohen Stand an Bildung; wie
konnte Frau Hagedorn ihn da wie einen Diener behandeln, den man einfach
übersah?
Auch Lennert war dieses Verhalten so peinlich, dass er nach
irgendeiner Möglichkeit suchte, es wiedergutzumachen, aber ihm wollte nichts
einfallen. Plötzlich sagte Ameya mit einem zynischen Unterton: »Es ist schon
gut, Herr Doktor. Solange Sie mich nur nicht mit âºboyâ¹ anreden. Ich stamme
nämlich aus einer alten Adelsfamilie.«
Paula rettete die Situation, indem sie fragte: »Ich sehe, Sie sind
ein höherer Beamter, aber ich kann Sie nicht zuordnen. Sie sind auch ein
Amtmann wie Dr. Bessemer?«
»Sein einheimisches Gegenstück, ja.«
Mittlerweile war Neele damit beschäftigt, die Gäste in den Salon zu
bitten, den sie einigermaÃen
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