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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Suduk verschwunden war. Sie fragte sich jetzt, woher er gewusst hatte, dass
sie die Straße entlangkommen würde. Oder war das Zusammentreffen nur ein Zufall
gewesen? Der Mann hasste alle Weißen, hatte Frau Hagedorn gesagt. Es ging ihm
also gar nicht um sie persönlich. Der Gedanke beruhigte sie, denn trotz der
abfälligen Art, in der Frau Hagedorn über den Zauberpriester gesprochen hatte,
musste Neele sich eingestehen, dass sie Angst vor ihm hatte – große Angst.

Der Wedono
    1
    D r. Lennert
Anderlies machte sich auf den Weg. Nach dem ihn ein Karren, der Früchte zum
Markt brachte, bis an den Stadtrand mitgenommen hatte, mietete er dort einen
anderen und ließ sich zu der Adresse auf Dr. Bessemers Visitenkarte bringen.
    Das gemächliche Gefährt führte ihn entlang einer breiten, vornehmen
Straße, die von Palmen und Rasenstreifen gesäumt wurde. In den Gärten und um
die Häuser war einheimisches Personal am Werk, Gärtner in kurzen bunten Hosen
und mit Turban, Dienstmädchen im farbenfrohen Sarong, aber die Kindermädchen
waren Weiße, und auch das höhergestellte Personal schien, so weit er das beim
flüchtigen Vorbeifahren erkennen konnte, ein Import aus der alten Heimat zu
sein. Anscheinend trauten die Engländer, Holländer und Deutschen ihrem Kolonialvolk
doch nicht so recht, obwohl Dr. Bessemer durchwegs freundliche Worte für die
Javaner gefunden hatte.
    Lennert war am frühen Morgen fortgefahren, und jetzt, gegen neun
Uhr, wünschte er, der Karren hätte ein Sonnenschutzdach.
Es wurde zusehends heißer, und die Sonne stach ihn trotz seines Filzhutes in den
Nacken, dass er befürchtete, Sonnenbrand zu bekommen. Vor allem der Wind war
glühend heiß und strich mit einem Hauch über die Vegetation, der die Blätter
vergilben und die Blattfächer schlaff herabhängen ließ. Es würde nicht mehr
lange dauern, bis die Jahreszeiten umschlugen und die Regenzeit begann. Der
junge Arzt kam kaum mehr nach damit, sich die Stirn abzutrocknen und mit dem
Hut zu fächeln.
    Zuletzt erreichte er den großen, viereckigen, von Gebäuden
eingeschlossenen Platz, der nach dem darauf stehenden Löwen von Waterloo
»Waterlooplein« genannt wurde. Dort ließ er sich zum Regierungsgebäude bringen,
in dem die Büros der meisten Zivil- und Militärbehörden untergebracht waren.
    Am Eingang saß ein einheimischer Wächter, der ihn auf die Frage nach
Dr. Bessemers Büro ins Innere dirigierte. Im Foyer stand ein Schreibtisch mit
einem – selbstverständlich weißen – Sekretär dahinter, der Lennert die Visitenkarte
abnahm, die paar handschriftlichen Zeilen darauf studierte und ihn dann zu
warten bat. Lennert ging im Korridor auf und ab und blieb vor einem Gemälde stehen,
das einen höchst imposanten, aber wenig sympathischen Herrn in altmodischer
Tracht darstellte. Sein spitzes, eingefallenes Gesicht ragte aus einer
spanischen Halskrause, er trug ein enges, reich besticktes schwarzes Wams und
hatte die Hand auf den Griff eines Degens gelegt. Am unteren Rand war der Name
des Dargestellten angegeben: Jan Pieterszoon Coen. Vierter Generalgouverneur
von Ostindien.
    Wenig später kam der Diener wieder, und der junge Mann wurde ins
Büro geführt. Es war prächtig eingerichtet, mit Perserteppichen, einem
gerahmten Ölbild des Kaisers an der Wand hinter dem Schreibtisch und einer
barocken Sitzgruppe. Dr. Bessemer war da und neben ihm ein schöner junger
Javaner, dessen Stellung Lennert nicht recht ausmachen konnte. Er war
zweifellos etwas Höheres als ein Diener oder Sekretär, obwohl er sich auch
erhob, um Lennert zu begrüßen. Dr. Bessemer stellte die beiden einander vor.
Wie die meisten Javaner hatte der Jüngling anstatt eines Vor- und Familiennamens
nur einen Namen, Ameya. Er trug eine weiße Uniform, die seinen Körper – er war
knapp mittelgroß, sehr schlank und geschmeidig – mit der Enge eines Korsetts umschloss.
In der Schärpe, mit der die Jacke in der Mitte abgebunden war, steckte an der
Rückseite des Körpers ein Dolch mit einem kunstvoll gearbeiteten Elfenbeingriff.
Unter dem Rand eines adretten schneeweißen Turbans zeigte sich ein Gesicht mit
vollen Lippen, kakaobrauner Haut und großen, tief umschatteten Mandelaugen unter
halb geschlossenen Lidern. Er bemühte sich nach Kräften, die gleiche väterliche
Autorität wie sein

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