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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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persönliche Ausstrahlung
und verstehen sich oft auch auf Hypnose. Damit erreichen sie viel. Aber
wirkliche Macht haben sie keine. Wenn er Sie noch einmal belästigt, lassen Sie
es mich wissen, dann werde ich ihn mir einmal ernstlich vornehmen.«
    Neele schien es, dass diese Worte, die doch sie alle betrafen, ganz
allein an sie gerichtet waren. Er versprach ihr, für ihren persönlichen Schutz
zu sorgen! Eine heiße Röte stieg ihr in die Wangen, und sie senkte rasch den
Kopf, während sie mit leiser Stimme dankte.
    Schließlich wurde es Zeit, dem Fest den Rücken zu kehren. Ameya
musste in aller Morgenfrühe wieder seinen Dienst antreten, und die drei
Deutschen waren müde vom reichlichen Essen und dem durchdringenden Lärm des
Orchesters. Gemeinsam verließen sie die Festwiese mit ihren brennenden Fackeln
und rauchenden Herden und traten den Weg in den dunklen Wald an. Ameya führte
sein Pferd am Zügel.
    Als er sich schließlich vor dem Waisenhaus von ihnen verabschiedete,
sagte er: »Es war schön, einen Abend mit Ihnen zu verbringen, Dr. Anderlies,
und auch mit Ihnen, meine Damen. Vor allem hat mich gefreut, dass Sie Verständnis
für das Wesen und die Geschichte meines Landes gezeigt haben. Das findet man
selten bei den Europäern. Alle Weißen scheinen zu glauben, dass sie als Einzige
auf der Welt existieren. Nicht einmal einander erkennen sie an. Nun, gute
Nacht, und ich freue mich auf ein Wiedersehen.«
    Mit diesen Worten schwang er sich in den Sattel. Die drei sahen ihm
nach, wie er davonritt, ein weißer Schemen in der tropischen Nacht, bis er
schließlich um eine Krümmung der Straße verschwand.
    Â»Man merkt ihm an, dass er ein Prinz ist«, sagte Neele versonnen.
»Oder jedenfalls ein höherer Adeliger. Das sagte er doch, als er das erste Mal
hier war, nicht wahr? Dass er aus einer alten Adelsfamilie stammt.«
    Â»Wird schon stimmen«, kommentierte Lennert. »Jedenfalls hat er recht
mit seiner Bemerkung, dass die Weißen niemand gelten lassen als ihre eigene
Nation. Erinnert ihr euch, was Richard sagte – dass es ihm nicht einfallen
würde, ein solches Fest zu besuchen? Für ihn sind die Leute hier allesamt nur
dummes Pack, das lediglich als billige Plantagenarbeiter zu gebrauchen ist.
Mich wundert nicht, dass es hier immer wieder Aufstände gab. Kein Mensch, der
auch nur eine Spur von Selbstachtung hat, lässt sich auf die Dauer so
behandeln. Eines Tages werden sie rebellieren und die Kolonialherren allesamt
davonjagen.«

3
    Z wei Tage später
ging Neele in der Abenddämme rung hinaus, um einen
Eimer voll Unrat über den Straßenrand zu schütten, als sie plötzlich ein fernes
Geräusch hörte. Wenig später erkannte sie Hufschläge, die in wahnwitziger Eile
näher kamen. Irgendetwas an dieser Eile erschreckte sie so sehr, dass sie den
Eimer stehen ließ und zurück in den Garten rannte, wo sie das schwere Tor
hinter sich zuriegelte. Dann jedoch überkam sie die Neugier, und sie blieb an
der Gartentür stehen und lauschte. Kein Zweifel, was sie in der Ferne hörte,
waren galoppierende Hufschläge auf der gepflasterten Straße, und diese
Hufschläge wurden übertönt von den schrillen Schreien einer Greisenstimme in
heller Panik. Sie stürzte ins Haus zurück und schrie nach Lennert und Paula.
    Als sie zu dritt zum Gartentor zurückkehrten, war der Lärm
schrecklich geworden. Das Pferd, offenbar am Ende seiner Kräfte, keuchte und
röchelte, und der Mann stieß mit letzter Kraft seine Hilfeschreie heraus.
Lennert, in der Meinung, die beiden würden von Räubern bedroht, riss das
Gartentor weit auf und schrie ihm zu, sie würden gleich in Sicherheit sein,
während Paula die Lampe emporhielt und schwenkte, um anzuzeigen, dass Leute da
waren.
    Â»Wir sind hier, wir sind bewaffnet!«,
schrie Lennert, als Pferd und Reiter in Sicht kamen. Jetzt sahen sie, dass es
der alte Pastor war, der sich an sein Pferd klammerte und sich kaum noch im
Sattel halten konnte.
    Was dann geschah, konnte Neele kaum fassen. Aus dem Gebüsch am Rande
der Straße schnellte etwas Riesenhaftes, Zweifarbiges hervor, überquerte, von
der enormen Kraft seines Sprunges getragen, beinahe die gesamte Breite der
Straße und warf sich mit voller Wucht über Pferd und Reiter. Das Pferd stieß
einen gellenden Todesschrei aus und brach zusammen. Der Reiter verschwand
vollkommen

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