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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Begleitung
erschien ihr als ein wahres Höllenorchester, ohne jede Harmonie, nicht einmal
die einzelnen Instrumente unterschieden sich voneinander. Nur der große
Kesselgong ließ seinen weithin hallenden Ton hören.
    Â»Es dient nicht der Unterhaltung«, fuhr der Wedono fort. »Oder sagen
wir, es dient nur ganz am Rande der Unterhaltung, wie das bei anderen
Zeremonien ja auch der Fall ist. Eigentlich hat es eine magische Bedeutung,
deswegen wird es auch nur aufgeführt, wenn ein besonderes Ereignis bevorsteht.
In diesem Fall ist es eine sehr bedeutende Hochzeit in dem Dorf hier. Die
Puppen vertreten dabei die Götter, und sie sind nicht nur Spielfiguren, sondern
vertreten die Götter und Heroen etwa im selben Sinn, wie in einer katholischen
Kirche die Statuen die Heiligen vertreten.« Er fuhr
fort, ihnen zu erzählen, dass es Theaterstücke gab, die von Göttern und Dämonen
handelten, Zaubermärchen und Heldengeschichten. In erster Linie aber würden
Ereignisse aus der Geschichte Javas erzählt. Übrigens müsse der Dalang, der
Puppenspieler, ein phantastisches Gedächtnis haben. Er würde alle Texte selbst
sprechen und singen, und dabei würde das Wayang-Gulik bis morgen früh um sechs
Uhr dauern!
    Paula meinte, Java müsse eine interessante Geschichte haben, wenn
sie so viel Stoff für Puppentheater lieferte.
    Ameya nickte, und Bitterkeit überschattete sein schönes Gesicht.
»Eine lange, wenn auch tragische Geschichte. Sehen Sie, als die Portugiesen,
die Holländer und die Engländer hier auftauchten, da gebärdeten sie sich, als
wäre die Insel von nackten Wilden besiedelt. In Wirklichkeit hatte Java damals
bereits eine vielhundertjährige Geschichte von Königreichen hinter sich, die
von ihren Fürsten regiert wurden – oft ziemlich grausam, wie ich zugeben muss.
Als in Europa das finstere Mittelalter herrschte, im 14. Jahrhundert, breiteten
sich hier die mächtigen Reiche von Padschadsiran und Madschapahit aus. Eine
Zeit lang beherrschte sogar ein Kaiser die gesamte Insel.«
    Neele staunte. Dass es hier so etwas gegeben hatte wie Königreiche,
ja, einen Kaiser, erschien ihr unglaublich.
    Ameya bedeutete ihnen, sich in einem ruhigen Winkel, von dem aus sie
das Schattenspiel beobachten konnten, auf einen gefällten Baumstamm zu setzen,
und erzählte ihnen aus der Geschichte der Insel. Im Jahre 1405, sagte er,
hatten die Mohammedaner Java überfallen und erobert. Sie führten dort den Islam
ein und gründeten die Reiche Bantam und Mataram, die Bestand hatten, bis 1594
die Holländer an den Küsten Javas landeten. Sie erbauten Batavia als Festung
und Handelsstützpunkt und machten aus dem ganzen Land eine einzige riesige Plantage,
auf der die Einheimischen wie Sklaven arbeiten mussten. Die geraubten Schätze
schaufelten sie in die Lagerräume der Schiffe ihrer Vereinigten Ostindischen
Handelskompanie. Ihnen gelang es, woran die Portugiesen und Engländer
gescheitert waren, nämlich ganz Java trotz vielfacher und blutiger Aufstände
bis ins frühe 19. Jahrhundert in gnadenloser Unterwerfung zu halten.
    Â»Vielfache und blutige Aufstände klingt nicht gut«, bemerkte Paula.
    Â»Nein«, erwiderte Ameya, und einen Augenblick versteinerte sein
Gesicht. »Umso weniger, als sie zumeist tragisch scheiterten. Ein einziges Mal
war Java nahe daran, seine Unterdrücker abzuschütteln. Das war 1825, als der
Prinz Diponegoro zu einem Feldzug gegen die Europäer aufbrach. Fünf Jahre lang
tobte ein Krieg, dann wurde der Prinz verraten, gefangengenommen und ins Exil
geschickt, wo er bald darauf starb. Er ist noch heute ein Held des Volkes, und
viele träumen davon, in seine Fußstapfen zu treten.«
    Neele schüttelte den Kopf. Der Gedanke daran, welcher Zorn in den
Einheimischen schwelte, gefiel ihr gar nicht.
    Â»Inzwischen ist es ein wenig besser geworden«, sagte Ameya. »Der
Kriegszug gegen den Prinzen kostete zweihunderttausend Javaner das Leben, aber
auch die Holländer mussten bluten. Sie verloren zwar nur achttausend Soldaten,
aber durch die ungeheuren Kriegskosten war das Land dem Bankrott nahe. Und es
gab auch in Holland anständige Menschen, die ihre Stimmen gegen diese unerhörte
Ausbeutung erhoben und Milde forderten. Ich muss sagen, vieles davon wurde
umgesetzt. Die Vereinigte Holländische Handelskompanie wurde aufgelöst, die
Bauern durften wieder für sich

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