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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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fröhliche Durcheinander bunt aufgeputzter
Menschen, das man von einem Fest erwartete. Das Orchester hatte seine Instrumente
ausgepackt und blies, pfiff und trommelte, untermalt vom lang aushallenden,
dumpfen Klang des Kesselgongs.
    Sie hielten sich fürs Erste am Rand des Geschehens, hinter dem Ring
der Fackeln, die die Festwiese erhellten. Vielleicht waren ja die Einheimischen
auch der Meinung, dass Europäer bei ihrem Fest nichts zu suchen hatten, und
zeigten sich verärgert, wenn sie ihnen zu nahe kamen. Es kümmerte sich jedoch
niemand um sie. Alle waren viel zu beschäftigt damit, händeklatschend der Musik
zu lauschen und sich an den Speisen gütlich zu tun. Also wagten sie sich
allmählich weiter vor und stellten fest, dass niemand an ihrer Anwesenheit
Anstoß nahm. Man reichte ihnen wie allen anderen Gästen auch in Fladen und Blätter
gewickelten Gemüsereis mit Hammelfleischstücken, kalten Tee und Süßigkeiten,
und sie lauschten dem Händeklatschen und Singen.
    Da rief Paula plötzlich: »Seht euch an, wer da ist!«
Sie deutete mit der ausgestreckten Hand ins Gewühl, und tatsächlich – da war
Ameya auf einem gepflegten Braunen. Er trug nicht seine Uniform, sondern Zivil.
Ein loser weißer Anzug bauschte sich bei jedem Windhauch um seinen schlanken,
biegsamen Körper.
    Er bemerkte sie nicht, und Paula wollte schon hingehen und ihn auf
sie aufmerksam machen, als Lennert sie warnte, dass das ungehörig sein mochte.
Er übernahm es selbst, den Beamten zu begrüßen, und der freute sich offensichtlich,
blieb aber den Frauen gegenüber auf Distanz.
    Neele grollte, aber Paula flüsterte ihr zu: »Hör auf, dich zu
ärgern, du kannst es nicht ändern. Wie war es denn bei uns zu Hause? Da saßen
die Frauen in der Kirche auf der einen Seite und die Männer auf der anderen.
Und im Wirtshaus hätten wir uns auch nicht so einfach an einen Tisch setzen
können.«
    Sie musste Paula ja recht geben, aber sie hätte gerne mehr Kontakt
zu dem fremdartigen jungen Mann aufgenommen. Es genügte ihr nicht mehr, ihn
immerzu nur anzusehen, und auch das meistens nur von der Seite. Sie hätte gerne
mit ihm gesprochen, obwohl sie nicht wusste, was sie ihn fragen sollte. Ihr
gingen ja nur Fragen durch den Kopf, die sie nicht stellen durfte: Wer bist du?
Bist du ein Mensch wie wir oder einer von ganz anderer Art? Hat es etwas zu
bedeuten, dass deine Haut dunkel ist? Und: Wie siehst du mich?
    Das verdross sie. Bald jedoch wurde sie von ihrer schlechten Laune
abgelenkt, denn jetzt begann die Vorstellung des Puppentheaters, das am Rand
der Festwiese aufgebaut war und offenbar das Hauptstück der Vergnügungen
darstellte. Ein zahlreiches Publikum, durchwegs Männer, saß in gebanntem
Schweigen davor auf dem Boden. Als Bühne war ein großer Papierschirm aufgestellt,
vor dem auf Stäbe gesteckte Puppen agierten. Sie waren lebhaft bunt in Rot,
Weiß, Gold und Schwarz gemalt, und man sah ihnen mit Leichtigkeit an, ob sie
die Guten oder die Bösen darstellten. Die Guten hatten edle Köpfe mit lang
geschlitzten Augen und feine Hände, die Bösen Knollennasen und dicke Lippen.
Der Puppenspieler, ein gekrümmter alter Mann in einem senffarbenen Mantel, sang
und sprach die Texte, und auf seine Zeichen brach das hinter dem Schirm
sitzende Orchester in einen Höllenlärm aus.
    Ameya bedeutete ihnen, auf die andere Seite zu kommen, wo die Frauen
saßen. Neele stieß einen leisen Schrei aus, als sie sah, dass nun die Schatten
der Puppen agierten, und zwar viel aufregender als die eigentlichen Puppen. Der
Puppenspieler meisterte sie, indem er sie manchmal nah an den Schirm holte,
sodass sie groß und bedrohlich erschienen, manchmal wieder entfernte, und
manchmal versetzte er auch die kleine Lampe, die alles beleuchtete, in heftige
Schwingungen, was einen wilden Tanz der Schatten auslöste.
    Die drei jungen Deutschen waren gleichermaßen begeistert. Nie hatten
sie etwas Derartiges gesehen, und sie kamen aus dem Staunen nicht heraus.
    Ameya zeigte sich geschmeichelt, dass ihnen eine Eigenart seines
Heimatlandes so gut gefiel. »Das ist auch etwas, das es außerhalb von Java kaum
irgendwo gibt, nicht einmal auf den anderen Inseln«, sagte er. »Man nennt es
Wayang-Gulik, Spiel der Schatten, und das dazugehörige Orchester ein
Gamelan-Orchester.«
    Das Spiel hatte Neele gefallen, aber die musikalische

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