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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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abgesehen von der Last der
Unterdrückung, auch allerlei magische Plagen von den Fremden mit ihrer
unbekannten Religion. Vielleicht hatten sie Angst, ihre Kinder könnten erkranken,
wenn ein weißer Mensch vorüberging und sie ansah, oder ihr Vieh könnte
dahinsiechen, wenn es von ihm berührt wurde.
    Lennert wusste von Lestari, dass die Einheimischen den Kopf
schüttelten über die Weißen, die es gewagt hatten, in das Spukhaus zu ziehen,
jetzt noch mehr, nachdem der Pastor ein so schreckliches Ende gefunden hatte.
Bei dem Gedanken stieg Trotz in ihm auf. Sie würden diesen abergläubischen
Halbwilden schon zeigen, dass ein Deutscher sich vor nichts fürchtet,
jedenfalls nicht vor einem Zauberer!
    Am späten Vormittag erreichte er den Waterlooplein und begab sich
sofort zu Dr. Bessemers Büro. Dieser und der Wedono empfingen ihn mit großer
Herzlichkeit. Er wurde eingeladen, ein paar Erfrischungen und süßen kalten Tee
zu sich zu nehmen, die Karaffe mit dem Arrak wurde auf den Tisch gestellt. Erst
dann forderte man ihn auf, zu erzählen, was ihn hierherführte.
    Dr. Bessemer hatte anscheinend überall Informanten sitzen, denn er
wusste bereits, was geschehen war, ließ es sich aber gerne noch einmal
erzählen. Lennert fiel auf, dass Ameya seinen Bericht mit sichtlichem
Widerwillen aufnahm. Er wunderte sich darüber. Der junge Mann war nicht so
zimperlich, dass es ihn erschreckt hätte, von einem blutigen Todesfall zu
erfahren. Es schien fast, als sei es ihm aus irgendeinem persönlichen Grund
peinlich, vom Angriff des Jaguars zu hören und erst recht vom Gemunkel der
Leute. Lennert hatte davon eigentlich nur erzählen wollen, um zu
unterstreichen, dass er selbst, seine Schwester und Neele selbstverständlich
nicht daran glaubten, aber der Wedono unterbrach ihn unerwartet scharf: Er möge
doch solchen Unsinn für sich behalten, das Geschwätz sei es nicht wert, dass
man es wiederhole! Lennert hatte ihn noch nie so aufgebracht gesehen. Unter der
Bräune seiner Haut machte sich eine tiefe Röte bemerkbar, und seine Brust hob
und senkte sich in krampfhaften Atemzügen.
    Dr. Bessemer kam seinem Mitarbeiter zu Hilfe, indem er rasch das
Thema wechselte und sich erkundigte, wie die beiden Damen den Schrecken
überstanden hätten. Er war zufrieden, als er hörte, dass Paula sehr rasch
darüber hinweggekommen war, und runzelte besorgt die Stirn, als Lennert ihm
erzählte, dass die schwangere Neele zusammengebrochen und zwei Tage krank gewesen
war.
    Â»Es geht ihr inzwischen aber schon wieder gut, und auch ihr Kind
scheint nicht gelitten zu haben, jedenfalls war ihrem Zustand nichts Besonderes
anzumerken«, sagte Lennert. »Sie ist eine kräftige und gesunde junge Frau, und
sobald ihre Nerven sich wieder beruhigt haben, wird alles in Ordnung sein.«
    Ameya stellte die unvermittelte Frage: »Glaubt sie an diesen Unsinn
von dem verwandelten Suduk?«
    Der Arzt zuckte die Achseln. »Ich habe nichts dergleichen von ihr
gehört. Allerdings muss ich gestehen, dass man in Norderbrake auch recht
abergläubisch ist und an alle möglichen Moorgeister, Gespenster und Werwölfe
glaubt. Leider ist die Aufklärung noch nicht in alle hintersten Ecken des
Kaiserreiches gedrungen. Bei meiner Schwester und mir ist das anders, wir haben
in Berlin gelebt. Dort weht ein frischer Wind, der einem die Flausen
aus dem Kopf bläst. Aber Neele … nun, der Suduk hat einen ziemlich
verstörenden Eindruck auf sie gemacht, und ich weiß nicht, welche Zauberkräfte
sie ihm zutraut.«
    Zu seiner großen Überraschung knöpfte Ameya daraufhin den steifen
Kragen seiner Uniform auf und zog ein aus bunten Fäden geflochtenes Band
hervor, an dem ein paar kleine gelochte Jadestückchen von unregelmäßiger Form
hingen.
    Â»Geben Sie ihr das«, sagte der Wedono, »und raten Sie ihr, es Tag
und Nacht zu tragen, dann kann kein Suduk ihr nahetreten.«
    Verblüfft nahm der Arzt das Amulett entgegen. Ameya hatte es um den
Hals getragen – glaubte er selbst denn auch, magische Hilfe gegen die Schamanen
zu benötigen? Für so primitiv hätte er ihn nicht gehalten.
    Ameya hatte seine Gedanken gelesen. Er lächelte spöttisch. »Das
Amulett«, sagte er, »dient meinem Schutz nur insofern, als ich es den Leuten
zeige und sie wissen lasse, dass mir kein Suduk etwas anhaben kann. Das spricht
sich herum, und sie

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