Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
Vom Netzwerk:
versuchen gar nicht erst, mir mit Zaubereien zu kommen.«
    Â»Dann glauben Sie selbst nicht daran?« Dr. Anderlies war erleichtert.
    Die dunklen Augen musterten ihn mit einem unergründlichen Blick. »Ob
es wirkt oder nicht, wer weiß? Ich habe es von meinen Urahnen geerbt. Die
Kunst, solche Amulette herzustellen, ist sehr alt. Sie sind etwas ganz anderes
als das billige Blech, das die Chinesen an die leicht zu Beeindruckenden
verkaufen. Sehen Sie sich die Jadestückchen an, die an den Fäden hängen. Wissen
Sie, wovon sie ihre Form erhielten? Sie sind abgeschliffen von den vielen
Fingern, die sie in der Not umklammert haben. Generationen von Menschen haben
ihr Vertrauen darauf gesetzt, wenn sie allein in unheimlichen Gegenden
unterwegs waren oder die Rache eines Suduk fürchten mussten.«
    Lennert war wider Willen beeindruckt. »Dann machen Sie Neele ein
sehr wertvolles Geschenk.«
    Â»Sie ist jedes Geschenk wert«, erwiderte Ameya einfach und gab zu
verstehen, dass das Thema für ihn beendet war, indem er sich in den Sessel
zurücklehnte und Dr. Bessemer wieder das Wort überließ.
    Eine Weile besprachen sie die schwierige Lage, in die der
    Ã¼berraschende Tod des Hausherrn die jungen Mitbewohner gebracht hatte, und Dr. Bessemer versprach, sich umzuhören und eine Lösung zu finden. »Machen Sie sich
keine Sorgen!«, ermunterte er Dr. Anderlies. »Man wird
Sie ganz gewiss nicht auf die Straße setzen. Rechnen Sie damit, in den nächsten
Tagen von uns zu hören, bis dahin werden wir sicher einen Weg gefunden haben.«

6
    N eele hatte das
Bett bereits wieder verlassen, aber sie fühlte sich noch immer sehr schwach,
und die schreckliche Erinnerung lastete schwer auf ihr. Jedes laute Geräusch,
das aus dem Dschungel drang, erschreckte sie, und sie wusste nicht, was sie
mehr fürchtete – den Gedanken an Raubtiere oder an einen Zauberer, der sich in
ein Raubtier verwandeln konnte. Am liebsten wäre sie überhaupt nicht aus dem
Haus gegangen, aber dafür hätte die energische Paula kein Verständnis gehabt,
und Neele wollte nicht schon wieder als Jammerlappen dastehen. Also nahm sie
ihren Mut zusammen, setzte sich neben der Freundin auf die Bank vor dem Haus
und machte mit ihren Näharbeiten weiter. Jetzt, da Richards Hochzeit knapp
bevorstand, mussten sie doppelt arbeiten, um den Ausfall durch Neeles Krankheit
wettzumachen. Die Nadeln flogen in den flinken Fingern, während die beiden
Frauen deutsche Lieder sangen, die in Norderbrake bei allen geselligen
Zusammentreffen beliebt gewesen waren. Die Zeit verging rasch, und beide wunderten
sich, als sie Dr. Anderlies heimkehren hörten. Er winkte ihnen fröhlich vom
Gartentor zu.
    Â»Nun?«, rief Neele, die sich große Sorgen
gemacht hatte, ob man ihnen nach dem Tod des Pastors nicht ihr einziges Dach
über dem Kopf wegnehmen würde. »Was hat Dr. Bessemer gesagt?«
    Lennert berichtete ihnen, dass der Amtmann versprochen hatte, sich
um die Angelegenheit zu kümmern, und sie sich keine Sorgen machen sollten, es
werde eine Lösung gefunden werden.
    Paula seufzte so zufrieden, als sei das ihr persönlicher Verdienst.
»Ich wusste, auf Phöbus – ich meine, Amtmann Bessemer – ist Verlass«, sagte
sie. »Wir hätten keinen besseren Freund als ihn finden können.«
    Â»Vergiss Ameya nicht«, warf ihr Bruder ein. »Er hat mindestens
ebenso viel zu sagen wie dein Phöbus.«
    Paula errötete zart. »Er ist nicht mein Phöbus«, widersprach sie
verlegen. »Er ist unser aller Freund, wollte ich sagen.«
    Lennert, der sich nicht aufs Eis führen ließ, lachte. »Ach, komm
schon! Wir wissen längst, dass du ihn gerne magst und er dich. Also nenn ihn
ruhig deinen Phöbus. Aber jetzt zu dir, Neele! Ich habe etwas für dich.« Er zog ein in Papier eingeschlagenes Päckchen aus der
Brusttasche seines Jacketts, reichte es ihr aber noch nicht. »Wir sprachen
darüber, welche Angst dir der Suduk eingejagt hat, und da gab mir Ameya etwas
für dich.« Er berichtete, wie der Wedono seine eigene
Halskette abgenommen und ihr zum Geschenk gemacht hatte, damit in Zukunft
niemand mehr versuchen sollte, sie mit Zaubereien zu erschrecken. »Es ist ein
wertvolles Geschenk«, sagte Lennert, der das Päckchen immer noch festhielt. »Es
ist ein Erbstück seiner Familie, die es über viele Generationen hinweg

Weitere Kostenlose Bücher