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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Vorfahren
gepflegt. Hier fraß die Wildnis jede Erinnerung.
    Â»Ganz anders als in Norderbrake, nicht wahr?«,
sagte sie. Dabei kam ihr der Gedanke, ob sie vielleicht so lange hierbleiben
würde, dass man ihr eines Tages auch ein solches Kreuz im Urwald zum Gedenken
setzte, und eine tiefe Melancholie überkam sie.
    Paula, die ihre niedergeschlagene Stimmung bemerkte, schlug vor:
»Komm, wir wollen ein Vaterunser beten, und dann gehen wir wieder.«
    Das taten sie, und Neeles Stimmung besserte sich ein wenig, als sie
dem Friedhof den Rücken kehrten. Ihre Gedanken wandten sich erneut Ameyas
Geschenk zu. Er liebte sie, aber was empfand sie für ihn? Waren ihr Herzklopfen,
ihre Unsicherheit, ihr Erröten Zeichen keimender Liebe, oder verrieten sie
einfach nur ihre Unsicherheit angesichts des fremden Landes und seiner
Bewohner? Kein Zweifel, sie fand ihn sehr attraktiv, und ihr gefiel seine
zurückhaltende, scheue und höfliche Art. Aber konnte sie sich wirklich in einen
derart fremdartigen Menschen verlieben? Stand nicht allzu viel zwischen ihnen?
    Diese Gedanken beschäftigten sie so sehr, dass sie beim Abendessen
in die Suppe starrte, anstatt zu essen, und als sie dann endlich auf ihr Zimmer
ging, war ihr Schlaf durchwoben von wilden, leidenschaftlichen Träumen. Im
Traum jedenfalls kannte sie keinen Zweifel daran, dass sie Ameya liebte und ihn
mit einer Glut begehrte, die ihr bislang fremd gewesen war.

Die Klosterfrauen
    1
    R ichard Hagedorns
Hochzeit fand in der holländischen Beutenkirk statt, mit großem Prunk, wie die
drei Deutschen hörten, aber zu diesem engeren Kreis waren sie natürlich nicht
eingeladen. Die alte Frau Hagedorn ließ sie nur wissen, dass sie beim Umtrunk
auf dem Dorfplatz vor dem Dorfkrug eingeladen seien, wo es Bier und Würste,
Kuchen und Reisschnaps für jeden gab, der aus Deutschland hierhergezogen war.
    Eigentlich hatte Neele keine große Lust, sich einer so lärmenden
Festlichkeit auszusetzen, aber Paula warnte sie gutmütig: Wenn herauskäme, dass
sie an dem Opferfest der Einheimischen, wenn auch nur als Zaungäste, teilgenommen
hatten, das große Treffen im Dorfgasthaus aber links liegen ließen, würde man
ihnen das sehr übelnehmen. Und warum sollten sie nicht hingehen? Wie es aussah,
war das Angebot öffentlicher Vergnügungen hier eher spärlich. Man musste
nehmen, was man bekam.
    Neele sah ein, dass Paula recht hatte. Sie zog ihr bestes Kleid an –
eines, das einmal der Mutter Hagedorn gehört hatte – und frisierte ihr Haar zu
einer goldenen Krone, die sie mit vielen Spangen feststeckte. Paula beneidete
sie immer ein wenig um diese Frisur. Ihr eigenes Haar war reich und voll, aber
fade im Farbton und ohne Glanz.
    Am späten Vormittag mieteten sie im Losmen oben eine Kutsche und
machten sich auf den Weg ins Dorf hinunter. Ausnahmsweise meinte es das Wetter
gut mit ihnen, jedenfalls war weit und breit keine Regenwolke zu sehen.
    Der Dorfanger rund um den Brunnen hatte sich in einen Tanzboden
verwandelt, und vor dem Dorfkrug stand im Schatten der Bäume eine riesige
Speisetafel, voll beladen mit Braten, Würsten, Bier, Brezeln, Kuchen und Kaffee,
was immer ein deutscher Magen begehrt, um glücklich zu sein. Neele ließ es sich
schmecken, als sie herzlich aufgefordert wurde zuzugreifen. Sie fühlte sich zu
Hause. Irgendjemand hatte auf die weite Reise sein Schifferklavier mitgenommen,
und die vertraute Sprache, die vertrauten Speisen, die Menschen in ihrer
vertrauten Tracht, das alles tat ihr gut und ließ sie vergessen, dass hohe
Palmen auf ihr Fest herabblickten und neugierige Affen aus den Baumkronen herabspähten.
    Während die Älteren noch beim Essen und Schwatzen saßen, drängte es
die Jungen schon zu tanzen. Ein Paar nach dem anderen trat hinaus auf den
freien Platz, die Burschen und Mädchen hängten sich an den Armen ein, und mit
der Musik begannen sie sich stampfend zu drehen. Neele wurde ebenfalls
aufgefordert, aber sie lehnte ab: sie sei schwanger, und ihr würde leicht übel.
Während Paula vergnügt von einem Tanzpartner zum anderen eilte, saß sie still
da und beobachtete, wie der Nachmittag langsam verging. Natürlich musste nach
einer Weile Pause gemacht werden, damit Kuchen und Kaffee zu ihrem Recht kamen,
dann ging es weiter mit Tanz und Musik.
    Neele fiel auf, dass die junge Frau Hagedorn nicht so glücklich
aussah, wie es hätte sein müssen,

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