Im Land der Mond-Orchidee
nicht will, findet keine Freunde.«
Neele war nahe daran aufzufahren, aber dann beherrschte sie sich.
Das Dümmste, was sie jetzt tun konnte, war, einen öffentlichen Streit
anzufangen, und das unmittelbar neben dem Dorfkrug, dessen Besucher auch noch
auf den Wortwechsel aufmerksam werden mochten. Also sagte sie nur »Vielen Dank
für Ihre Hilfe« und lenkte den Wagen mit seiner Last aus Lebensmitteln bergaufwärts.
Es dauerte nicht lange, bis auch Dr. Bessemer sie beiseitenahm, um
ihr einen guten Rat zu erteilen. Er schien nicht recht zu wissen, ob er ihr
gütig und väterlich oder mit der Strenge des Beamten gegenübertreten sollte.
SchlieÃlich sagte er: »Ich will nicht lange um den heiÃen Brei herumreden. Da
Sie Deutsche sind, bin ich wohl für Ihre Angelegenheiten zuständig, auch wenn
Sie mich nicht darum bitten.« Er hielt ein paar
Sekunden den Atem an, dann fuhr er fort: »Ihre Liebesgeschichte macht hier
böses Blut.«
Neele richtete sich steif auf. »Aber warum? Was habe ich ⦠was
haben wir falsch gemacht? Und wenn wir schon so reden: Abgesehen davon, dass
wir viel füreinander empfinden, ist es noch gar keine Liebesgeschichte. Sie
können sich vorstellen, wie schwierig es für mich ist, einem Mann zu trauen,
nachdem mein Mann mich auf eine so heimtückische Weise verlassen hat.«
Der Amtmann machte eine Bewegung, die alles wegwischte. Das alles,
sagte er, wäre kein Problem, wenn sie sich in einen WeiÃen verliebt hätte. Aber
in Java war es ein Problem. Auch wenn die einheimischen Familien reich und
bedeutend waren und hohe Funktionen einnahmen, so verkehrte man nicht
gesellschaftlich miteinander. Ein weiÃer Händler mochte mit seinem einheimischen
Freund Tag für Tag Geschäfte machen, aber keiner von beiden wäre auf den
Gedanken gekommen, diesen Freund zu einem gesellschaftlichen Ereignis
einzuladen. Ein Mann konnte eine farbige Mätresse haben, das störte niemand,
aber er nahm sie nicht zu einem Tanz oder ins Theater mit.
»Ich weiÃ, dass Ameya Ihnen gut gefällt«, sagte er, »und es ist
dasselbe auf der anderen Seite, aber ihr werdet euch damit abfinden müssen,
dass daraus nichts werden kann. Die Moralgesetze hier sind eigenartig.« Für ihn, den Deutschen, gebe es kaum ein Problem, sich
mit einer deutschen Frau zu unterhalten, solange sie dabei nicht den Eindruck
erweckten, »sich in dunklen Ecken herumzudrücken«. Mit einer Holländerin oder
Engländerin hätte man ihn schon schief angesehen. Wenn es ihm nur um eine
Mätresse ginge, hätte er sich eine europäische oder auch eine einheimische
Gefährtin zulegen können, solange er hinreichend Diskretion walten lieÃ. Aber
ein einheimischer Mann, der Gefallen an einer Europäerin fand, war ein
Pechvogel. Niemals würde man ihm diese Liebe gestatten.
»Und warum nicht?«, fragte Neele.
Dr. Bessemer zuckte die Achseln. Es war eben so, und zwar auf beiden
Seiten. Die Europäer empfanden es als eine Beleidigung, dass einer aus dem
Kolonialvolk sich in ihre Reihen drängen wollte, und für die Javaner galt Adat , das Gewohnheitsrecht, das die Heirat mit einer fremden
Frau verbot, sei sie nun Europäerin oder Chinesin.
»Seien Sie vernünftig«, sagte er, wobei er wohlwollend ihre Hände
ergriff, »und machen Sie sich und ihn nicht unglücklich. Es kommt nur Streit
und Ãrger heraus dabei, wenn nicht noch Schlimmeres. Sie wissen nicht, wozu die
WeiÃen in ihrem Hochmut fähig sind und wie hasserfüllt die Einheimischen sein
können. Es ist eben so«, schloss er ein wenig unbeholfen, »dass gewisse Dinge
unmöglich sind, was immer wir darüber denken mögen. Und zwar sind sie für beide
Seiten unmöglich. Die Familie unseres Freundes wird ihm ebenfalls heftige
Vorwürfe machen, dass er auch nur daran denken kann, sich mit Ihnen einzulassen.«
Neele dachte daran, wie Richard sie erschreckt hatte, und seufzte.
Dr. Bessemer hatte ja recht. Aber jetzt war sie schon eigensinnig, jetzt wollte
sie nicht mehr aufgeben, was ihr so viel bedeutete. Als sie das zu ihm sagte,
zuckte er die Achseln. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber ich sage
Ihnen gleich, Sie werden nichts ausrichten. Was in Jahrhunderten gewachsen ist,
lässt sich nicht einfach umwerfen.«
Als sie einmal Gelegenheit hatte, Ameya unter vier Augen zu
sprechen, fasste sie sich ein Herz und
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