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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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sprach ihn rundheraus an. »Sie werden
das, was ich Ihnen sage, vielleicht ungehörig finden«, sagte sie, »aber ich
kann es nun einmal nicht noch länger hinunterschlucken, und außerdem glaube
ich, dass Sie es ohnehin schon längst wissen. Seit ich Sie das erste Mal
gesehen habe, liebe ich Sie, und jetzt ist es so, dass ich sage, ich will Sie
und keinen anderen Mann.«
    Nach javanischen Höflichkeitsregeln war das sicherlich eine sehr
ungehobelte Rede, denn Ameya war sichtlich betroffen, aber er spürte die
Leidenschaft in den Worten, und so ergriff er ihre Hand und hielt sie fest.
»Ich weiß, dass Sie so empfinden, und meine Gefühle kommen den Ihren entgegen,
aber was sollen wir tun? Meine Familie würde Sie nicht akzeptieren. Starrsinnig
und feindselig sind nicht nur die Europäer. Auch hier wärst du eine Ausgestoßene.
Meine Familie würde sich für dich schämen. Wie sähe das aus! Alles Leute, die
so aussehen, wie es sich gehört, und mittendrin eine von den verhassten Weißen!«
    Neele verstand. Man würde ihn und seine Familie als Leute
betrachten, die sich bewusst bei den Kolonialherren einzuschmeicheln
versuchten.
    Plötzlich sagte er: »Wir könnten nur an einen Ort gehen, an dem du
und ich gleichermaßen Fremde wären. Nach Amerika oder Australien. Dort kümmert
man sich nicht darum, wie jemand aussieht oder woher er kommt.«
    Sie war völlig verdutzt. Auf den Gedanken, dass er seine Heimat verlassen
könnte, wäre sie im Traum nicht gekommen. Sie hatte immer den Eindruck gehabt,
dass er hier tief verwurzelt war und nichts ihn bewegen konnte, Java je zu
verlassen. Aber jetzt hörte es sich an, als sei er geradezu begierig, einen
solchen Schritt zu tun.
    Eifrig fuhr er fort: »Einmal im Monat geht ein Schiff von hier nach
Brisbane. Denk darüber nach, aber ich bitte dich, schweig, bis wir einen
Entschluss gefasst haben! Niemand darf davon erfahren, auch deine Freunde
nicht. Ein solches Unternehmen ist gefährlicher, als du ahnst.«
    Neele fiel nichts anderes ein, als schweigend zu nicken. Er drückte
ihre Hand und verließ sie, um nicht mit ihr ertappt zu werden.
    Sie blieb sitzen und starrte regungslos vor sich hin. Irgendetwas,
dachte sie, war seltsam an der Bereitwilligkeit, mit der er einem Verlassen der
Heimat zugestimmt hatte. Und dann auch noch nach Australien, von dem sie
bislang nur gehört hatte, dass es heiß, trocken und öde war und dass man dort
ungeheure Mengen von Gold fand. Während Java wenigstens landschaftlich faszinierend
schön war, schien Australien selbst dieser Vorzug zu fehlen. Aber davon
verstand sie nichts, und so konnte sie nichts anderes tun als überlegen, ob
ihre Liebe und ihr Vertrauen stark genug waren, diesem fremden Mann in ein noch
fremderes Land zu folgen. Einmal war sie betrogen worden, würde es auch ein
zweites Mal der Fall sein? Nein, sagte sie sich. Ameya würde nicht lügen. Wenn
er sagte, dass er sie liebte, dann meinte er das auch so.

Besuch aus Deutschland
    1
    Z wei Monate vergingen,
in denen Neele sich allmählich in ihrer neuen Umgebung zurechtfand. Das Land erschien
ihr nicht mehr gar so fremd. Sie wusste, dass in der Regenzeit regelmäßig jeden
Nachmittag ein Wasserfall herabstürzte, der den ganzen Vorgarten unter Wasser
setzte; wenn sie dann hinausspähte, schwammen Schlangen, Ratten und Geckos um
ihr Leben zu den Verandastufen, wo sie einträchtig triefnass beisammenhockten.
Nach jedem Regen erschienen neue Scharen von Käfern, Würmern und Schnecken, die
sich an dem überbordenden Grün delektierten.
    Sie gewöhnte sich an die feuchte Hitze. Statt der eng geknöpften
Tracht, in der sie an Bord gegangen war, trug sie jetzt nur noch einen langen
Rock und über dem Mieder eine der lockeren bunten Blusen, die die Einheimischen
in so vielen reizvollen Mustern herstellten, und dazu ein über die Haare
gewickeltes Tuch. Besser, man lästerte im deutschen Dorf über sie, als dass sie
vor Enge und Hitze tot umfiel!
    Sie fühlte sich geborgen in dem Haus, in dem außer ihr nun auch noch
so viele andere Menschen wohnten. Im Großen und Ganzen kam sie auch mit der
deutschen Gemeinschaft gut aus. Allerdings hatte sie festgestellt, dass man
Richard aus dem Weg gehen musste, wenn er getrunken hatte. Er fing dann mit
allen und jedem Streit an, sogar mit seinen Eltern, und bedrohte sie wüst. Seiner
Frau gelang es nicht

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