Im Land der Orangenbluten
sehr gespannte Stimmung herrschte, wagte am zweiten Tag zögerlich, Julie zu fragen, was vorgefallen war.
Julie schüttete ihm ihr Herz aus. »Ich würde mich ja bemühen um Martinas Hochzeit, aber ... sie weigert sich strikt, mit mir zu sprechen. Wie soll ich denn da helfen?«
Jean Riard war ein geduldiger Zuhörer, aber Rat wusste er auch nicht. Ihm tat Julie leid, die hier zum Spielball anderer geworden war. Er sah, wie die Lebenslust dieser jungen Frau zunehmend schwand und sie sich mehr und mehr in Depressionen verlor. Aus einem Impuls heraus legte er tröstend seine Hand auf die ihre. »Mevrouw, ich ...«
Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich bedurfte es keiner Worte mehr.
Julie wusste nicht, wie ihr geschah. Jedesmal, wenn sie an den jungen Buchhalter dachte, flatterte in ihrer Brust ein Schmetterling, ihr wurde heiß, dann kalt, dann hatte sie Durst, obwohl ihr eigentlich übel war. Nach ihrem letzten Treffen auf der Veranda war er am nächsten Tag bei Tagesanbruch zurück in die Stadt gefahren. Julie hätte eigentlich andere Dinge im Kopf haben sollen, aber sie kam nicht umhin, ständig an ihn zu denken. Sie versuchte, sein Bild aus ihrem Kopf zu verdrängen, doch wenn sie dann wieder an die sanfte Berührung seiner Hand dachte, seine blauen Augen, sein blondes Haar ...
Als nach einigen Wochen die Zeit seiner Wiederkehr nahte, kämpfte sie jeden Tag, jede Stunde mit dem schlechten Gewissen darüber, dass sie sich im Stillen darüber freute. War sie etwa verliebt? Sie wusste es nicht.
Eines Abends im Dezember, alle saßen wie gewohnt mehr oder weniger schweigend bei Tisch, trieben Julies Gedanken gerade wieder in weite Ferne, als Martina sich plötzlich zu Wort meldete. Das war ungewöhnlich, denn seit der Hochzeitsabsage ignorierte sie ihren Vater. Auch Pieters gutes Verhältnis zu Karl hatte einen derben Riss bekommen. Julie nahm sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf das Diesseits. Trotzdem hatte sie verpasst, was Martina gerade gesagt hatte. Diese saß mit geröteten Wangen vor ihrer Suppe, und auch Pieter wirkte irgendwie unruhig. Karl fixierte seine Tochter aber bereits wieder mit schmalem Blick, was nichts Gutes verhieß.
»Du bist was?«
»Ich bin schwanger.«
Julie war sich nicht sicher, ob sie die Worte jetzt wirklich gehört hatte. Karls Reaktion ließ jedoch keinen Zweifel. Er stand so abrupt auf, dass sein Stuhl umkippte. Aiku, der neben der Tür dienstbeflissen wartete, zuckte zusammen.
Karls Gesicht bekam eine zornige Röte. »Pieter, sofort in mein Arbeitszimmer!« Im Vorbeigehen griff er sich seinen Schwiegersohn in spe und schleifte ihn am Arm mit in seine Räume. Die Tür knallte zu, trotzdem konnte Julie hören, wie Karl Pieter mit lauter Stimme maßregelte: »Wie konnte das ...? Pieter!«
Martina saß zusammengesunken auf ihrem Platz. Julie wusste nicht, was sie sagen sollte. Schweigend stocherte sie in ihrem Essen herum, ohne jedoch einen Bissen zu sich zu nehmen.
Eine gefühlte Ewigkeit später wurde die Tür von Karls Arbeitszimmer wieder aufgerissen. Karl stapfte zurück in das Esszimmer, gefolgt von einem ungewohnt unterwürfig dreinblickenden Pieter. Karl baute sich vor dem Tischende auf, nicht ohne noch einen strafenden Blick auf Martina zu werfen, und knurrte: »Jetzt wird geheiratet, gleich im Frühjahr, nicht auszudenken, wenn ... Das habt ihr euch ja hervorragend ausgedacht!« Er machte auf dem Absatz kehrt, nahm ein Glas Dram vom Tablett, das Aiku ihm wohlwissend entgegenhielt, und verschwand in seinen Räumen.
Jetzt erst regte sich Pieter. Sobald Karl verschwunden war, ließ er die Maske des Reumütigen fallen und setzte das höhnische Grinsen eines Siegers auf. Besitzergreifend legte er eine Hand auf Martinas Schulter. »Siehst du, meine Liebe, da konnte er jetzt gar nicht anders als Ja zu sagen.« Und mit einem Seitenblick auf Julie fügte er herablassend hinzu: »Wir werden hier schon zu unserem Recht kommen.«
Kapitel 14
Kiri machte sich Sorgen um ihre Misi. Misi Juliette aß nur noch wie ein Vögelchen, zeigte eine ungesunde Blässe, und ihr Blick schien stets nach innen gekehrt und betrübt.
Kiri gab sich redlich Mühe, die Stimmung ihrer Misi aufzuhellen. Sie erzählte ihr immer wieder kleine Begebenheiten von den Kindern aus dem Sklavendorf. Die hatten ihrer Misi doch immer so große Freude bereitet. Aber die Misi war vorsichtig geworden. Kiri hatte mitbekommen, dass Masra Pieter ihrer Misi gedroht hatte, Masra Karl von ihren Bemühungen um
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