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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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Gästezimmer oder vielleicht eine Kleiderkammer und keinen weiteren Gedanken an den Raum verschwendet, nachdem sie ganz zu Beginn einmal die Klinke heruntergedrückt und festgestellt hatte, dass der Raum verschlossen war.
    Jetzt war aber doch ihre Neugier geweckt.
    Am Abend, als sich die Dunkelheit über die Plantage gelegt hatte und auch das ohrenbetäubende Abendkonzert der Waldbewohner verstummt war, lag Julie da und lauschte auf die gedämpften Töne der Nacht. Kiri hatte ihr vor gut zwei Stunden noch einen Schlaftrunk gebracht und frisches Wasser in den Waschkrug gefüllt. Julie hatte sie gefragt, ob die anderen sich auch bereits zur Ruhe begeben hätten.
    »Misi Martina hat sich wieder mit Masra Karl über die Hochzeit gestritten. Sie ist früh auf ihr Zimmer gegangen. Masra Karl und Masra Pieter haben noch Dram getrunken. Dann hat sich Masra Pieter zurückgezogen. Masra Karl hat noch zwei Gläser allein getrunken, dann hat Aiku ihn zu Bett gebracht«, gab Kiri eifrig preis.
    »Danke Kiri, du kannst dann auch gehen.«
    Julie hatte sich das so ähnlich schon gedacht. Sie hatte gehört, wie Karl im Nachbarzimmer einige Anweisungen für Aiku gelallt hatte, bevor es still geworden war.
    Jetzt beschloss sie, dass der Augenblick gekommen war, herauszufinden, was sich hinter dieser Tür verbarg. Julie stand auf und zog sich ihren leichten seidenen Morgenmantel über. Vorsichtig tappte sie erst zu der Verbindungstür, die ihren Raum mit Karls Schlafzimmer verband. Wie sie vermutet hatte, ertönte ein leises Schnarchen. Wenn Karl getrunken hatte, schlief er für gewöhnlich tief und fest. Selbst wenn es ihm vor dem Zubettgehen noch in den Sinn kam, Julie zu behelligen, schlief er danach wie ein Stein. Auch wenn Julie aufstand, um sich zu waschen, kümmerte ihn das nicht. Julie schauderte kurz, sie dachte nicht gern an diese Nächte und verbannte sie für gewöhnlich aus ihrem Kopf.
    Vorsichtig schlich sie aus ihrem Zimmer die wenigen Schritte über den Flur. Als sie die Klinke des geheimnisvollen Zimmers drückte, ließ sich die Tür zu ihrer Verwunderung öffnen. Julie huschte durch den Türspalt und bemühte sich, die Tür möglichst leise wieder zu schließen. Ihr Herz pochte bis zum Hals, sie holte ein paarmal tief Luft und drehte sich dann um, um sich in dem Raum umzusehen. Als sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, erkannte sie schemenhaft einzelne Möbelstücke. Julie machte einige unsichere Schritte in den Raum hinein, auf der Hut, nirgends anzustoßen, bis sie vor einem Möbelstück mitten im Raum stehen blieb. Vor ihr stand eine Babywiege mit einem Baldachin aus Gaze! Der Raum war ein Kinderzimmer! Julie stockte einen Moment der Atem. Hatte Karl etwa schon in freudiger Erwartung ein Kinderzimmer für ihr gemeinsames Kind einrichten lassen? Doch dann wurde ihr die düstere Atmosphäre in dem Raum bewusst. Es roch staubig und abgestanden, und als sie sachte über den Gazestoff des Bettchens strich, gab der ein leises Knistern von sich. Der Raum war seit langer Zeit unberührt. Julie fröstelte, sie zog ihren Morgenmantel fester um sich. Vorsichtig schlüpfte sie wieder aus dem Zimmer und verkroch sich in den Laken ihres Bettes. Was hatte das zu bedeuten? Auf dem Schiff hatte Wilma erzählt, dass Karls erste Frau Felice wieder schwanger gewesen war, als sie ... als sie ...
    Für Julie war es unvorstellbar, dass sich eine schwangere Frau das Leben nahm. Was hatte Felice nur dazu getrieben?
    An Schlaf war jetzt nicht zu denken. Unruhig wälzte Julie sich in ihrem Bett. Aber war dies überhaupt ihr Bett? Hatte Felice hier früher gelegen und sich vielleicht auch in tiefer Nacht Gedanken gemacht, die sie letztendlich dazu bewogen ...? Julie wurde übel bei dem Gedanken. Ruckartig stand sie auf, schlang das dünne Laken um ihren Körper und legte sich auf die Recamiere nahe beim Fenster. Plötzlich kam ihr der ganze Raum im fahlen Mondlicht gespenstisch und fremd vor.
    Nico schien Julies betrübte Stimmung am nächsten Tag schnell zu erfassen. Kaum hatte sie sich auf der Veranda niedergelassen, vollführte er einige komische Hüpfer auf der Balustrade, als wolle er sie aufheitern.
    Amru brachte Julie eine Tasse warme Schokolade. Ihr waren die blassgrauen Augenringe der Misi aufgefallen, sie hielt sie aber für eine Folge des Unwohlseins, das Julie in den letzten Tagen angeblich ereilt hatte.
    »Der Kakao wird der Misi guttun.« Mit einem Handwink versuchte Amru, den Vogel von der Tasse fernzuhalten.

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