Im Land der Orangenbluten
jagte ein kalter Schauer über die Haut. »Du wirst einfach schön brav weiterhin das Püppchen von Karl spielen. Ohne einen Erben bist du lediglich eine weitere Frau im Haus.« Seine Stimme war genauso kalt wie der Blick, mit dem er sie jetzt bedachte. »Und soweit ich das mit meiner medizinischen Erfahrung beurteilen kann, wirst du ihm so schnell auch keinen Nachwuchs schenken. Könnte ja sein, dass das beizeiten sein Interesse an dir schmälert.« Mit einem verächtlichen Schnauben ließ er Julies Haare los und setzte sich lässig in einen der Sessel. »Zudem, wenn ihm zu Ohren kommen würde, welche Aufmerksamkeit du den Negern in seiner Abwesenheit zukommen lässt ... Auch das wird ihn nicht erfreuen. Alles in allem stehst du momentan auf keinem guten Posten, Juliette, ich hoffe, darüber bist du dir im Klaren.«
Julie funkelte ihn böse an. Sie war nicht gewillt, sich von ihm in die Enge treiben zu lassen. »Und wenn ich Karl erzähle, das Martina sich heimlich mir ihrer Tante trifft, dann könnt ihr eure Pläne auf Rozenburg vergessen! Dann wird es vermutlich keine Hochzeit geben!«
Julie sah, wie Pieter in seinem Sessel zusammenzuckte. Sie hatte ihn getroffen! Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum und ließ Pieter verdutzt zurück. Der Punkt ging an sie, eindeutig. Trotz der Aufregung und des Mutes, den sie hatte aufbringen müssen, Pieter die Stirn zu bieten, trotz ihres Herzens, das zu zerspringen drohte, so heftig klopfte es, musste Julie lächeln.
Diesmal täuschte Julie einen Fieberanfall vor, um sich der Gegenwart von Karl, Martina und vor allem Pieter zu entziehen. Sie hatte sich von Amru entschuldigen lassen und zog es vor, allein in ihrem Zimmer zu sein. Kiri schien gleich sehr besorgt, als Julie Unwohlsein äußerte. Es brauchte eine Weile, bis sie Kiri klargemacht hatte, dass sie nicht wirklich krank war. Dem Mädchen war die Erleichterung im Gesicht geschrieben, als Julie ihr im Schlafzimmer erklärte, sie wolle nur allein sein, ihr fehle nichts. Aber sie freute sich insgeheim, dass Kiri sich so ernsthaft um sie sorgte und nicht nur ihre pure Pflicht erfüllte. Julie schickte sie mit ein paar netten Worten fort. Sie musste allein sein, musste nachdenken.
Auch wenn sie erfolgreich gekontert hatte, hatten Pieters Worte ihr unmissverständlich klargemacht, welche Rolle sie hier auf der Plantage spielte. Und was, wenn seine Worte wahr würden? Wenn sie Karl keinen Erben schenken konnte, würde sie die Zukunft hier nur als lebender Zierrat verbringen, und die Plantage würde mehr und mehr Pieter und Martina zufallen. Ein für Julie unerträglicher Gedanke. Aber nicht unwahrscheinlich, denn Karl war schließlich auch nicht mehr der Jüngste, und in diesem Land gab es unzählige Krankheiten, die einem Leben unvermittelt ein Ende setzen konnten. Julie wäre zwar als Karls Frau durchaus erbberechtigt an Rozenburg, das wusste sie, aber er würde sie niemals mit der Führung der Plantage betrauen, solange er noch die Zügel in der Hand hatte. Da war Pieter offensichtlich Karls erste Wahl, vielleicht hatte Karl ja sogar diesbezüglich schon irgendwelche Regelungen getroffen. Julie wusste es nicht. Sie musste auch Pieter gegenüber vorsichtig sein. Niemand wusste, wie gut er Karl beeinflussen konnte. Julie beschloss, solange Pieter auf der Plantage war, erst einmal weniger Kontakt zu den Sklavenkindern zu haben. Es brach ihr das Herz, aber die Gefahr, dass Karl es herausbekam, war einfach zu groß.
Über die Mittagsstunden war es still im Haus, und Julie fiel erschöpft in einen leichten Schlaf. Die knarrenden Dielen des Flures ließen sie hochschrecken. Weder Amru noch Kiri gingen um diese Zeit im Haus umher, und auch den anderen Haussklaven war es nicht gestattet, die Mittagsruhe zu stören. Julie ließ sich aus dem Bett gleiten und schlich auf nackten Füßen zur Tür. Vorsichtig öffnete sie diese einen Spalt und spähte auf den Flur. Gerade eben noch sah sie, wie Karls Hemdsärmel in dem Zimmer verschwand, das Amru ihr nicht gezeigt hatte. Was Karl wohl in diesem Zimmer zu schaffen hatte? Leise schloss sie ihre Tür und legte sich zurück aufs Bett.
»Tabu« sei das Zimmer, hatte Amru bei der Hausführung gesagt. Ganz ernst hatte sie Amrus gewichtigen Gesichtsausdruck damals nicht genommen. Schließlich gab es unten auch einige Wirtschaftsräume, die nur von den Sklaven genutzt und kaum von den Weißen betreten wurden. Julie hatte angenommen, es handele sich um ein ungenutztes
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