Im Land der Orangenbluten
krank, da hast du recht, und das wäre für uns alle schlimm.«
Einige Tage später, tief in der Nacht, wurde Kiri durch das Geraschel ihres Türvorhangs geweckt. Kurz zuckte sie zusammen. Seit damals auf der anderen Plantage ... sie fürchtete sich des Nachts immer noch vor Überfällen.
»Schsch ... ich bin es.« Es war Amrus Silhouette, die sich aus der Dunkelheit abzeichnete. »Komm mit, schnell! Und sei leise.«
Kiri sprang sogleich aus ihrer Hängematte, schlang sich ein Tuch um die Hüften und folgte Amru.
Als sie die Dorfgrenze hinter sich gelassen hatten, sprach Amru zu ihr.
»Ich habe mit Jenk gesprochen, heute findet ein Treffen statt, da kannst du für deine Misi um die Gunst der Götter bitten.«
Kiri durchfuhr ein nervöses Kribbeln, sie hatte noch nie ein Ritual selbst vollzogen. Ob sie es überhaupt konnte, sodass es auch wirken würde?
Diesmal gingen sie nicht in die Zuckerrohrfelder, sondern folgten einem schmalen Pfad bis zur Baumgrenze und ein Stück in den Wald hinein. Sie befanden sich hier eindeutig auf verbotenem Land. Keinem Sklaven war es gestattet, die Grenzen der Plantage zu verlassen. Kiri schluckte nervös. Wenn sie bemerkt würden, schickten die Aufseher ihre blutrünstigen Hunde los, und diese würden ohne Zögern zubeißen, sobald sie den Geflohenen gestellt hatten. Amru aber schritt zügig voran.
Nach einer guten Stunde kamen sie auf eine kleine Lichtung, auf der ein schwaches Feuer brannte, um das mehrere Personen saßen. Amru schob sie in den kleinen Kreis und bedeutete ihr, sich zu setzen. Kiri versuchte, im schwachen Feuerschein die Identität der anderen Anwesenden zu erkennen. Sie sah einen Mann und eine Frau aus dem Sklavendorf, Jenk, einen ihr unbekannten Mann und – Dany! Ihr stockte der Atem.
Zunächst schien sich alles um den Mann und die Frau aus dem Sklavendorf zu drehen. Jenk vollzog einige Beschwörungen, wobei er in leisen Singsang verfiel und immer wieder mit einem langen, geschmückten Stock die Schultern der beiden berührte.
Kiri sah fragend zu Amru hinüber. Diese beugte sich vor und flüsterte. »Die beiden möchten fortan als Mann und Frau zusammenleben und bitten um den Schutz der Götter.«
Nachdem Jenk die beiden mit einer scharf riechenden Flüssigkeit aus einer Kalebasse besprenkelt hatte, lachte er ihnen zu und nickte. Die Frau machte ein erleichtertes Gesicht, und der Mann bedankte sich bei Jenk.
Dann schritt der Medizinmann auf Kiri zu und deutete ihr an, sich zu erheben.
»Hast du das schon mal gemacht?« Kiri schüttelte den Kopf. »Gut, ich werde die Formeln für dich sprechen – das Opfer musst aber du darbringen und dabei den Göttern deinen Wunsch dann ganz fest in Gedanken mitteilen.«
Ein Opfer? Kiri zögerte einen Moment.
Dann aber sah sie, dass Danys Blick auf ihr ruhte. Tapfer nickte sie. Sie würde jetzt keinen Rückzieher machen. Während sie in der Mitte des kleinen Kreises stand, lief Jenk, leise Beschwörungen aussprechend, um sie und das Feuer herum. Nach und nach wurde seine Stimme lauter, und die anderen antworteten mit einem leisen Gesang. Als alle Stimmen sich in einer Tonlage trafen, erhob Jenk die Arme, Dany stand auf, griff in einen Sack, den er bei sich trug, und reichte Kiri zunächst ein Schlagmesser und dann ein Huhn. Kiri konnte nicht erkennen, ob das Tier noch lebte.
Leise flüsterte er ihr zu, wobei sein Mund ganz nahe an ihr Ohr kam: »Du musst dem Huhn den Kopf abschlagen und das Blut ins Feuer tropfen lassen.«
Kiri schwankte kurz. Sie hatte andere schon beim Schlachten von Tieren beobachtet, selbst aber noch nie eins getötet.
Dany reichte ihr das Huhn. Sollte sie wirklich? Sie zögerte kurz, aber es war unmöglich, jetzt einen Rückzieher zu machen. Tapfer legte sie ihre Hand um den Hals des Tieres. Sie versuchte, nicht darauf zu achten, ob es noch zuckte oder nicht. Der Gesang der anderen erhob sich wieder leicht. Kiri trat an das Feuer, hob das Messer und schlug zu, als würde sie einen Flaschenkürbis köpfen.
Dann packte sie den Körper des Vogels, drehte ihn mit den Füßen nach oben und ließ das Blut in das Feuer tropfen. Dabei kniff sie die Augen zu und stellte sich ganz fest ihre Misi vor, zu deren Füßen ein kleines, weißgekleidetes Kind tollte.
Ob es so richtig war? Zur Sicherheit sprach sie den Wunsch noch still in Worten: Bitte macht, dass meine Misi ein gesundes Kind zur Welt bringt!
Erst als der Gesang verstummte, öffnete Kiri die Augen, Jenk nahm ihr den toten Vogelkörper ab
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