Im Land der Orangenbluten
mir, als Buchhalter unserer Plantage, die Ehre erweisen, mir die Stadt zu zeigen.« Sie zwinkerte ihm fröhlich zu und fügte flüsternd, mit einem verschwörerischen Unterton, hinzu: »Und Karl ist nicht da, und wenn er in die Stadt kommt ... er muss es ja nicht wissen. Außerdem sind wir nicht allein.« Sie deutete auf Kiri, die sich etwas abseits unter einem Baum in den Schatten gesetzt hatte.
Dem jungen Buchhalter schien es Sorge zu bereiten, vor seinem Arbeitgeber nun ein Geheimnis zu haben. Aber andererseits wäre es auch unhöflich gewesen, dessen Frau den Wunsch nach Gesellschaft abzuschlagen. Seine Augen glänzten glücklich. »Dann darf ich Sie morgen wieder abholen?«
Am nächsten Tag war es aber nicht Riard, der als Besucher im Stadthaus erschien, sondern Martina.
»Juliette, Tante Valerie meint, es sei an der Zeit, dass sie dich endlich persönlich kennenlernt, wo sie doch ... wir doch nun die Hochzeit gemeinsam planen.« Martina widerstrebte es deutlich, Julie diese Nachricht zu überbringen, aber sie war an die Abmachung gebunden. Valerie würde in die Planungen miteinbezogen, solange Karl den Eindruck hatte, die Hoheit über die Hochzeitsplanungen läge bei Julie. Martina hatte inzwischen offensichtlich eingesehen, dass dies der einzige Weg war, ihre Tante einzubinden – und dass es besser war, ihren Vater nicht noch weiter zu vergrämen.
»Gern.« Julie versuchte ein Lächeln. Innerlich krampfte sich aber ihr Magen vor aufsteigender Nervosität zusammen. Nun würde sie die Familie von Karls ehemaliger Frau kennenlernen. Julie hatte sich immer eingeredet, das sei nicht so schlimm, aber jetzt, wo es unmittelbar bevorstand, bekam sie doch Angst. Wie würden diese Leute auf sie reagieren? Was hatte sie sich da nur eingebrockt? Die Fiamonds waren schließlich eine der wohlhabendsten und angesehensten Familien in Paramaribo. Sie schluckte. Sie würde die Situation schon meistern, schließlich hatte sie diesen Vorschlag gemacht.
»Morgen zum Tee«, beschied Martina sie knapp und verschwand.
Julie blieb mit einem Kloß im Hals zurück. Als Riard kurz danach kam, um sie wie verabredet abzuholen, war sie nicht ganz so bei der Sache wie am Tag zuvor. Immer und immer wieder schweiften ihre Gedanken zum Treffen am nächsten Tag.
»Ist Ihnen nicht gut?« Er sah sie besorgt an, als Julie zum wiederholten Male nicht auf seine Ansprache reagierte. Sie schüttelte schnell den Kopf.
»Doch, doch, alles gut. Es ist nur ... morgen soll ich zu den Fiamonds kommen, um Martinas Tante Valerie kennenzulernen.«
Riard hob fragend die Augenbrauen. »Aber so war es doch geplant, oder?«
»Ja.« Julie seufzte, »aber ein bisschen Angst habe ich schon.«
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen, die werden Sie schon nicht beißen ...« Riard warf Julie einen aufmunternden Blick zu.
Diese schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Er war wirklich ein Freund. Der einzige, den sie momentan hatte.
Plötzlich fiel ihr Blick auf eine Frau am Straßenrand, gekleidet in der schlichten Tracht der Herrnhuter. Julie erinnerte sich schlagartig an Erika. »Halt! Halt, bitte, können wir anhalten?«, rief sie aufgeregt.
Riard deutete dem Kutscher, den Wagen anzuhalten, und Julie sprang heraus. Mit gerafftem Rock lief sie der Frau hinterher.
»Entschuldigen Sie! Mevrouw, Entschuldigung!« Atemlos erreichte sie die Frau.
Diese blieb verwundert stehen. »Ja?«
»Es tut mir leid, dass ich Sie so überfalle, aber kennen Sie eine Erika Berg ... Bergmann?«
»Aber ja.« Die Frau lächelte freundlich.
»Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich ... Lebt sie hier in der Stadt?«
»Oh, da muss ich Sie enttäuschen«, sagte die Frau entschuldigend, »Mevrouw Bergmann ist vor einiger Zeit in das Hinterland gereist. Ich weiß allerdings nicht, wann wir sie zurückerwarten können.«
Julie musste sich zusammenreißen, um nicht allzu enttäuscht zu wirken. »Schade! Aber danke für die Information.« Sie verabschiedete sich nachdenklich von der Frau und ging zurück zur Droschke, wo Riard sie mit einem neugierigen Blick empfing.
»Wer war denn das?«
»Ach, ich habe damals auf dem Schiff eine junge Frau kennengelernt und ich dachte ... Aber sie ist nicht mehr in der Stadt.« Julie war ehrlich enttäuscht. »Schade.« Seine Stimme war voller Mitgefühl. »Ja, sehr schade, ich hätte sie gern wiedergetroffen.«
Später am Abend ließ Julie sich von Kiri verschiedene Kleider herauslegen. Nachdenklich musterte sie die Auswahl, sie war
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