Im Land der Orangenbluten
sich bestürzt, als er die schlechte Nachricht am Abend von Erika entgegennahm. Er wusste sehr wohl, was das bedeutete. Eine auf ewig pflegebedürftige Frau im Haus und ... eine Beendigung der ehelichen Beziehung. In der Stadt hatte Erika einige Frauen mit dieser Krankheit unter den Patienten der Station gehabt. Unter vorgehaltener Hand hatte Erika erfahren, dass auch Männer an Filariose erkrankten. Allerdings waren bei ihnen nicht nur die Beine betroffen, sondern auch ... Erika hatte wenige Male Männer gesehen, die sich schleppend in weiten Röcken bewegten. Ohne Frage war das für jeden Mann ein Graus.
Gemma würde also das letzte Kind der van Drags sein. Wobei Resa das nur trocken mit »... Na, dreizehn reichen ja auch« kommentierte.
Erika übernahm fortan nicht nur die Aufsicht über die Kinder, sie kümmerte sich auch um Frieda van Drags Pflege. Diese erholte sich, dank Kräuterwickel und fiebersenkender Tees, recht schnell, versank aber in eine tiefe Depression, als sie gewahr wurde, wie es um sie stand.
»Mevrouw, es gibt genug Menschen, die mit dieser Krankheit noch lange gut leben«, versuchte Erika sie zu beschwichtigen.
Und ihre Worte entsprachen sogar der Wahrheit. Zwischen den Schüben waren die Betroffenen, abgesehen von den geschwollenen Gliedmaßen, durchaus frei von Beschwerden und konnten am täglichen Leben teilhaben. Frieda van Drag aber befürchtete gleich das Schlimmste. Außerdem traute sie sich mit ihren geschwollenen Beinen nicht mehr unter das Volk und fürchtete um ihre Stellung in der Gesellschaft.
Nach Ablauf ihrer Wöchnerinnenzeit war sie nur schwer aus dem Bett zu bewegen, und bei ihren seltenen Besuchen im unteren Stockwerk des Hauses zeigte sie sich mürrisch und vor allem den Kindern gegenüber gereizt. Erika versuchte, die Schar möglichst im Zaum zu halten und immer nur ein oder zwei der Kinder zu ihrer Mutter zu lassen, um deren Nerven nicht überzustrapazieren. Die Kinder, die schon lange genug auf ihre Mutter hatten verzichten müssen, verstanden natürlich nicht, warum diese, trotz Gemmas Geburt, weiterhin leidend war. Erika versuchte, den Größeren schonend zu erklären, was mit ihrer Mutter los war. Dabei bedachte sie nicht, dass ihnen diese Krankheit durch Sklavenfrauen durchaus ein Begriff war. Geert wandte sich sofort angewidert ab und nuschelte seinem Bruder Harm zu, er würde fortan nicht mehr zu seiner Mutter gehen, das sei ja ekelig. Erika war entsetzt, das hatte sie nicht gewollt. Edith und Anka weinten gleich los. Beschwichtigend versuchte sie, den Jungen und auch den zartbesaiteten Mädchen zu erklären, dass sie sich ihrer Mutter ruhig nähern durften. Insgeheim war sich Erika sicher, dass die Gefahr von innigen Zärtlichkeiten zwischen Mutter und Kindern sowieso nicht gegeben war. Frieda van Drag hielt eine kühle Distanz zu ihren Sprösslingen.
Im Hause van Drag gab es jedoch bald noch zusätzliche Unbill. Die Kinder erkrankten an einer Magen-Darm-Verstimmung, die Erika und die Haussklaven bis zur Erschöpfung forderte. Alle außer der kleinen Gemma, Erika dankte Gott, dass er das Baby verschonte, lagen mit Erbrechen und Durchfall danieder und jammerten um die Wette. Erika brachte Reiner vorsorglich bei den Deutschen unter, damit er sich nicht auch noch ansteckte.
Als sie am späten Nachmittag vom Krankenlager der beiden Mädchen kam, wischte sie sich erschöpft den Schweiß von der Stirn. Im Wirtschaftsbereich des Hauses kochten Jette und Lore seit Tagen stets Tücher und Wäsche aus, um der Infektion Einhalt zu gebieten. Besorgt schaute Jette auf Erikas beschmutztes Hauskleid.
»Misi Erika muss sich umziehen, geben Sie das Kleid mir, kommt gleich mit in den Topf.«
Betroffen schaute Erika an sich herab. Einige große Spuckflecken zierten ihren grauen Hausrock. Es war ihr letztes sauberes Kleid gewesen, die anderen hingen noch zum Trocken aus. Bei der tropisch schwülen Luft konnte das aber dauern.
»Ich habe nichts mehr zum Anziehen!« Erschöpft ließ sie sich auf einen Stuhl fallen.
Jette lachte. »Kein Problem Misi, ich geh Misi was holen.« Bevor Erika was erwidern konnte, lief Jette los. Kurze Zeit später kam sie mit einem bunten Sklaventuch wieder. Erika schüttelte nur den Kopf. »Jette, ich kann doch nicht ...«
»Na, Misi kann auch nicht nackt laufen.«
Jette hatte recht, und für ein paar Stunden sollte es wohl gehen. Erika sehnte sich nach frischer, sauberer Kleidung. Frieda ruhte in ihrem Zimmer, und auch die Kinder waren vor
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