Im Land der Orangenbluten
Karl Valerie und seiner ehemaligen Schwiegermutter konsequent aus dem Weg ging, denn so konnte sie selbst ganz ungezwungen mit diesen Gästen umgehen. Wobei das bei Valeries Mutter, Martinas Großmutter, nicht einfach war. In der Stadt waren sich Julie und diese Frau trotz Julies häufiger Besuche im Hause Fiamond nie begegnet. Jetzt zeigte sich, dass Mevrouw Fiamond wenig mit ihrer Tochter Valerie gemein hatte. Sie wirkte kühl und distanziert. Valerie hingegen trat Julie gewohnt freundlich entgegen. Karl würde nicht bemerken, dass während der Zeit in der Stadt ein zartes Band geknüpft worden war. Mittlerweile duzten sich die Frauen sogar, es sei denn, Karl war in der Nähe.
Ungleich schwerer fiel Julie der Umgang mit einem anderen Gast. Als Jean eintraf, musste sie den Kopf senken, damit niemand ihre geröteten Wangen sah. Auch er begrüßte sie freundlich und distanziert. Anders hatte sie es nicht erwartet, schon der Etikette wegen. Im Stillen hoffte sie aber ...
Der 23. März, der Tag der Hochzeit, war mit einem strammen Programm gefüllt. Ivon hatte keine Kosten und Mühen gescheut. Geplant war ein Frühstücksempfang, danach eine kleine Vormesse in der Gartenanlage. Dann die Trauung, das Dinner, eine Kaffeetafel und abends ein Ball mit Musik.
Die Gäste überfluteten die Plantage schon morgens wie eine Schar summender Fliegen. Julie kannte nur wenige, obwohl sie am Vortag fast jeden persönlich begrüßt hatte. Aber an den Grüppchen, die sich bildeten, war deutlich zu erkennen, dass diese Hochzeit im Grunde nur eine willkommene Gelegenheit war, sich wieder einmal zu treffen, zu reden und zu feiern. Die Marwijks von der Nachbarplantage Watervreede schienen gleich ein eigenes kleines Familienfest daraus zu machen, am nächsten Tag sollte sich die Tochter des Hauses verloben.
Während der Trauung, die sich trotz des straffen Zeitplans bis in die schwülen Mittagsstunden zog, verfolgte Julie neben Karl in der vordersten Stuhlreihe das Geschehen. Martina sah hübsch aus, ihr Kleid kaschierte das kleine Bäuchlein perfekt, und eine üppige Frisur, mit weißen Orchideenblüten besteckt, lenkte die Aufmerksamkeit zusätzlich auf ihr Gesicht. Wenn man von der Schwangerschaft nichts wusste, war sie nicht zu bemerken. Martina hatte am Morgen noch einen Tee von Amru zu sich genommen, der sie vor neuerlicher Übelkeit schützen sollte. Sie hatte zwar das Gesicht verzogen, den bitteren Trank dann aber hinuntergestürzt – nicht auszudenken, wenn sie während der Trauung unpässlich werden würde.
Inzwischen hoffte Julie, dass der Tee auch wirklich stark genug gewesen war, denn mit der aufkommenden Hitze wich Martina nach und nach die Farbe aus dem Gesicht.
Währen der langen Predigt des Geistlichen, der bereits mit schweißnasser Stirn auf seinem kleinen Podest stand, schweiften Julies Gedanken ab. Wie spartanisch doch ihre eigene Hochzeit gewesen war! In der kleinen Kapelle in Amsterdam, die Bänke mit Fremden bestückt, die Zeremonie lieblos und hastig. Dagegen war dies hier der organisierte Traum einer jeden Frau. Wenn Karl sie in Surinam geheiratet hätte, wäre ihre Hochzeit dann auch so ausgefallen? Hätte er dann vielleicht auch keine Kosten und Mühen gescheut? Ein Seitenblick auf ihren Mann holte sie in die Realität zurück. Ihm war seine Hochzeit sicher recht so gewesen. Still und heimlich. Dieses ganze Tamtam hier stieß ihm auf, sein mürrischer Gesichtsausdruck sprach Bände.
Julie ärgerte sich über Karls Verhalten. Dass er nicht mal am Tag der Hochzeit seiner Tochter etwas freundlicher sein konnte! Wenn sie schon die brave Frau spielen musste, obwohl sie nicht mal die Mutter der Braut war, war es dann zu viel verlangt, dass er sich ein paar Tage zusammenriss? Als Vater der Braut? Aber Karl stand der Sinn lediglich nach alkoholgetränkten Abenden mit den männlichen Gästen, wobei er nur Auserwählte mit in sein Reich nahm. Aiku hatte unablässig Gläser und Flaschen aus dem Lagerhaus Richtung Herrensalon getragen, und der Geruch von Zigarren durchzog das ganze Haus. Amru hatte wohlweislich einige der Gästezimmer auf der Plantage gar nicht erst belegt, da sich des Nachts erfahrungsgemäß immer jemand fand, der nicht mehr per Boot zu seinem eigentlichen Übernachtungsort gebracht werden konnte. Julie wollte ihren Nachbarn schließlich keine betrunkenen Männer ins Haus schicken. Sie hoffte nur, dass Karl es heute nicht übertrieb und der Tag ohne unschöne Szenen ausklingen würde.
Als die
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