Im Land der Orangenbluten
lachend den Kopf. »Nein, nein! Und machen Sie sich keine Sorgen, Mevrouw Bergmann, Parono hat mir eben erzählt, wie Sie ... aber wir sind so weit weg von der Stadt. Ich bin mir sicher, es wird keine Probleme geben.« Dann wurde sein Gesichtsausdruck ernst. »Kommen Sie, wir gehen ein Stück.« Er lotste Erika durch die Menschenmenge.
Parono hatte begonnen, die Waren aus dem Boot zu laden. Er ließ als Helfer nur einen Mann mit an Deck, die Angst vor der Krankheit stand ihm im Gesicht geschrieben.
Erika hingegen machte sich weniger Sorgen, der Pater sah gesund und kräftig aus, und auch die meisten Menschen am Kai zeigten keine Anzeichen einer Krankheit.
Als sie sich ein Stück entfernt hatten, ergriff Pater Donders wieder das Wort. »Sie sind also auf der Suche nach Ihrem Mann?«
Erika nickte, sie musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Hoffentlich hatte der Pater jetzt keine schlechten Nachrichten für sie.
Donders schien die Last, die auf Erika lag, zu spüren und lächelte sie milde an. »Seien Sie beruhigt, Ihr Mann ist hier.«
Erika traute ihren Ohren nicht. Auch wenn sie diesen Satz seit Jahren ersehnte und sich vor dieser Reise an ihn geklammert hatte, kam er doch überraschend. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. »Reinhard ist wirklich hier? Wo ist er? Geht es ihm gut?«
Donders atmete schwer aus. Er blieb stehen und blickte ihr ins Gesicht. »Mevrouw Bergmann, es geht Ihrem Mann den Umständen entsprechend«, sagte er behutsam. »Sie sollten wissen ... er kam nicht als Missionar hierher ... sondern als Patient.«
Erika hatte das Gefühl, unter ihr täte sich der Erdboden auf. Bis zur letzten Sekunde auf dem Schiff hatte sie noch gehofft, Reinhard in Batavia zu finden, besser gesagt, sie hatte sich fest eingeredet, dass er einfach nur seinem missionarischen Eifer nachgegangen war. Dass er tatsächlich hier war, war überwältigend. Dass er aber hier war, weil ... die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Stimme wiederfand. »Kann ... kann ich ihn trotzdem sehen?«
»Natürlich, ich wollte Sie nur vorwarnen. Bitte folgen Sie mir.«
Kapitel 4
Julie stand in der Krankenstation und faltete Tücher zusammen. Seit Erikas Abreise kam sie jeden Tag hierher, half Klara und schaute nach den Kindern. Das gab ihr zumindest ein wenig das Gefühl, eine Aufgabe zu haben und gebraucht zu werden. Der Wunsch, zu ihrem Kind zurückzukehren, übermannte sie täglich, aber jetzt musste sie wenigstens noch warten, bis Erika wieder heimkehrte. Das hatte sie ihrer Freundin versprochen.
Erika war nun schon fast eine Woche fort. Julie bereitete das zunehmend Sorge. War es falsch gewesen, Erika auf dieses Schiff zu bringen? Was, wenn unterwegs etwas passiert war? Wenn es einen Unfall gegeben hatte? Andererseits wusste sie nicht, wie lange die Reise nach Batavia dauerte, und sie kannte auch niemanden, den sie danach oder nach eventuellen Vorkommnissen auf dem Fluss hätte fragen können. Sie ging immer wieder zum Hafen, fragte aber nicht mehr nur nach Jean, sondern wartete auf Erika, auch wenn beide Unterfangen hoffnungslos erschienen. Inzwischen hatte sie jeden Kapitän nach Jeans Verbleib gefragt, es waren doch immer die gleichen Schiffe, die von den Fahrten entlang der Küste oder aus den Nachbarländern heimkehrten. Die großen Schiffe aus Amerika oder Europa legten so selten an, dass sie befürchtete, es könnte Jahre dauern, alle abzuklappern. In ihr machte sich tiefe Hoffnungslosigkeit breit. Sie würde Erikas Rückkehr abwarten und dann sofort ihre Rückreise nach Rozenburg antreten.
Julie legte gerade die letzten Tücher in das dafür vorgesehene Schränkchen, als es an der Tür der Krankenstation klopfte.
»Ja?«
Dodo kam herein und schob dabei einen kleines, etwa zehnjähriges Mulattenmädchen vor sich her.
»Misi Juliette, wo ist Misi Klara?«
»Klara ist zu einem Hausbesuch. Was ist denn, Dodo? Hat die Kleine was?« Julie hatte nicht übersehen, dass dem Mädchen die Tränen über die Wangen rannen.
»Nein, Misi, sie hat nichts«, Dodo schob das Mädchen ein paar Schritte vor und forderte sie in ruhigem Tonfall auf: »Nun red mit der Misi!«
»Misi«, die Kleine verbeugte sich ungelenk, »ich komme wegen meiner Mutter. Sie ist krank und kann nicht aufstehen.« Sie flüsterte fast.
Julie ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Erschrocken zuckte das Kind zurück. »Ist schon gut, ich tu dir doch nichts.« Julie ging in die Hocke.
Weitere Kostenlose Bücher