Im Land der Orangenbluten
Hast du meine hysterische Frau nicht mitgebracht oder meinen Sohn?« Pieter lehnte sich mit einem gehässigen Lachen in den Türrahmen.
Julie baute sich mit einer Armlänge Abstand vor ihm auf.
»Pieter, deine Frau ist tot«, sagte sie ruhig.
Pieter verzog keine Miene.
Nur Amru ließ hinter ihr einen entsetzten Schluchzer erklingen.
»Na, sie war ja auch nicht mehr ganz beieinander. Ist wohl besser so.« Nichts in seiner Stimme ließ vermuten, dass er seine Worte nicht ernst meinen könnte.
Julie sah Pieter fest in die Augen. »Pieter, ich bin hier, weil ich die Plantage zurückhaben will!«
Er lachte laut auf. »Ach, Juliette, das hatten wir doch schon mal!« Er schien ehrlich belustigt zu sein. »Du hast keine Chance, vergiss es.«
Julie jedoch dachte nicht daran nachzugeben. »Doch, Pieter, ich habe eine Chance. Das, was du hier getan hast ... wir haben es in der Stadt zur Anzeige gebracht. Du hast die Sklaven unnötig gequält, und sie sind durch deine Hand gestorben. Du weißt, was das bedeutet. Jeder Richter in diesem Land wird das auch so sehen.«
Pieter trat mit drohendem Blick auf Julie zu. »Du willst mir drohen? Du? Als Mörderin und mit einem Bastard als Sohn? Hast du dir das gut überlegt?«
Julie trat einen Schritt zurück und zwang sich, ihm weiter fest in die Augen zu sehen. »Wem wird man wohl eher glauben: einer armen, schwachen Frau, die zudem noch Witwe ist, oder einem Mann, der Sklaven bestialisch quält und sie sterben lässt wie räudige Hunde.« Mit diesen Worten drehte sie sich abrupt um und ging zur Tür. Ihr Herz pochte vor Aufregung. Was, wenn sie jetzt nach draußen auf die Veranda kam und dort niemand ... Doch noch während sie die Tür öffnete, seufzte sie erleichtert auf. Suzanna hatte ihren Auftrag im Sklavendorf innerhalb kürzester Zeit verrichtet: Draußen vor der Veranda stand das gesamte Sklavendorf versammelt.
Pieter stutzte, als er hinter Julie durch die Tür trat, um sie aufzuhalten.
»Was ist hier los?«, bellte er.
Einer der älteren Männer trat auf Julie zu und verneigte sich. »Misi Juliette, wir freuen uns sehr, dass Sie wieder da sind!«
Julie spürte, dass er seine Worte ernst meinte. »Danke, ich freue mich auch«, antwortete sie dankbar und drehte sich zu Pieter um. Sie versuchte, so viel Überzeugungskraft in ihre Stimme zu legen, wie sie nur konnte. »Ab heute ist das wieder meine Plantage! Pieter – wir erwarten dich morgen in der Stadt, um die Übergabe zu regeln.«
Mit diesen Worten wandte sich Julie, gefolgt von Suzanna, in Richtung Steg.
»Du hast nichts in der Hand, Juliette! Nichts!«, brüllte Pieter.
»Doch!«, ertönte mindestens ebenso laut eine Stimme. Pieter erschrak, da Amru anscheinend ihre Sprache wiedergefunden hatte. Julie blieb stehen und sah Amru dankbar und aufmunternd an, während die alte Frau zu ihr aufschloss. »Ich werde mit der Misi gehen, ich werde für meinen Mann Gerechtigkeit fordern!«
Nur einen Moment später lösten sich zwei weitere Frauen aus der Menge der Sklaven. »Er hat mit seinen Spritzen unsere Männer umgebracht«, riefen sie, »wir gehen auch mit der Misi.«
»Den Teufel werdet ihr tun!« Pieter griff nach der Peitsche an seinem Gürtel.
»Das, Pieter, würde ich lassen.« Julie funkelte ihn böse an und wandte sich dann an die Frauen: »Kommt, wir sehen ihn morgen in der Stadt wieder.«
Kapitel 5
Julie war ganz übel vor Nervosität. Sie stand mit Erika, Suzanna und Amru vor dem Verwaltungsgebäude des Kolonialgerichts. Hier hatte sie damals unterschrieben, dass sie Pieter die Plantage und das Sorgerecht für ihren Sohn überließ.
Heute würde sie versuchen, das rückgängig zu machen. Zum wiederholten Male überkamen sie Zweifel, dass ihr das gelingen würde. Momentan wäre sie am liebsten fortgelaufen, jetzt gab es kein Zurück mehr.
»Und wenn er nicht kommt?«
»Er wird kommen!«, beruhigte Erika sie.
»Wenn Jean doch nur hier wäre.« Julie war weinerlich zumute. Jean war aus den gleichen Gründen nicht hier, aus denen er nicht mit zur Plantage hatte fahren können. Sie durften Pieter keinen Anhaltspunkt liefern, dass sie sich wiedergefunden hatten. Pieter würde sonst vielleicht darauf beharren, dass Henry nicht Karls Sohn war.
»Da kommt er!« Suzanna zupfte Julie am Ärmel.
Julie erblickte Pieter, der forschen Schrittes auf das Gebäude zukam, dicht gefolgt von einem wieselartigen, grauhaarigen Mann. Julie bekam Angst: Hatte Pieter sich gar einen Anwalt genommen? Hätte sie das
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