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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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Palmen und fruchtiger Düfte. Jetzt war sie in einem Land, in dem es all diese üppige Pracht tatsächlich gab. Ob sie wohl auf der Plantage einen großen Garten vorfinden würde? Die Plantage ... Welche Menschen wohl noch auf der Plantage lebten? Sicherlich viele Sklaven. Julie hatte sich das Zusammensein mit ihnen anders vorgestellt, ähnlich dem Verhalten gegenüber Dienstboten, aber Sklaven waren offensichtlich doch etwas anderes, sie schienen eher wie Arbeitstiere behandelt zu werden. Sie nahm sich fest vor, zu den Sklaven, mit denen sie zu tun haben würde, nett zu sein.
    Bange war ihr vor allem vor dem ersten Zusammentreffen mit ihrer Stieftochter. Ob sie sich wohl verstehen würden? Julie hoffte es inständig. Sie war jetzt von Karl abhängig, da war es nur gut, wenn sie mit seiner Tochter auskam.
    Sie wusste ansonsten immer noch nichts über Karls Familie. Hatte er noch Eltern? Lebten die gar auch noch auf der Plantage? Der Gedanke brachte schmerzlich die Erinnerung an ihre eigenen Eltern hervor. Was die wohl zu Julies Entscheidung gesagt hätten, nach Surinam zu gehen? Vermutlich wäre es nie so weit gekommen. Karl hatte sie ja auch nur wegen des Geldes geheiratet. Es versetzte Julie wieder einen unangenehmen Stich, daran zu denken. Vielleicht ... wenn sie sich Mühe gab, ihm zu gefallen, vielleicht würde es ja nicht so schlimm werden.
    Am nächsten Morgen erwachte Julie nur mäßig erholt, die Hitze setzte ihr mächtig zu. Sie war mehrfach aufgestanden, um ihre nassgeschwitzte Nachtwäsche zu wechseln. Außerdem hatte sie lange wach gelegen, gegrübelt und darauf gehorcht, ob Karl wohl noch zu ihr kommen würde, bis sie letztendlich in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Karl war nicht erschienen, dafür hatten jedoch einige Mücken ihren Weg in das Zimmer und sogar unter das Netz gefunden und Julie einige Male geweckt.
    Nachdem sie sich frisch gemacht hatte, suchte sie sich aus ihrem Koffer das leichteste Kleid, das noch standesgemäß zu tragen war. Beim Frisieren merkte Julie, wie sich ihre Haare durch die feuchte Luft unbändig kräuselten. Bereits am frühen Morgen erinnerte sie das Klima an die große, dampfgefüllte Waschküche des Internats.
    Nachdem es ihr halbwegs gelungen war, adrett und ordentlich auszusehen, ging sie nach unten. Karl saß bereits am Frühstückstisch und las in einer Zeitung. Foni stand parat und schenkte Julie eine Tasse tiefschwarzen Kaffee ein. Julie stand der Sinn eigentlich mehr nach einem kühlen Getränk, sie traute sich aber nicht, darum zu bitten.
    Einem anderen Drang konnte sie allerdings nicht widerstehen. Sicherlich schickte es sich nicht bei Tisch, aber ... Verlegen kratzte sie sich am Arm. Einige dieser Mücken hatten sie tatsächlich gestochen.
    Karl ließ kurz seine Lektüre sinken: »Daran gewöhnst du dich«, sagte er lediglich, bevor er die Zeitung wieder hob. Ansonsten blieb er wortkarg. Julie hätte gerne gefragt, was sie heute machen würden. Vielleicht zeigte er ihr ja die Stadt! Ihre Hoffnung zerschlug sich allerdings, als Karl aufstand und sich verabschiedete. »Ich habe noch Geschäftliches zu erledigen.«
    Julie blieb enttäuscht und etwas unschlüssig allein am Tisch sitzen. Sie erschrak fast, als Foni neben sie trat. Die Haussklavin hielt ihr einen kleinen Tiegel hin und deutete auf Julies Arm, auf dem sich einige große rote Pusteln gebildet hatten.
    »Danke, Foni«, sagte Julie, Karls Warnungen zum Trotz. Foni zeigte ihr ein Lächeln, das ihre schneeweißen Zähne entblößte, und verschwand wieder irgendwo hinten im Haus. Hatte Foni Julie überhaupt verstanden? Sie hatte zwar gelächelt, aber vielleicht war das auch nur ein Zeichen von Höflichkeit.
    Julie fand das Sprachverhalten sehr kompliziert. Auf dem Schiff hatten die Frauen erzählt, dass die Sklaven kein Niederländisch sprechen durften. Sie verstanden es zwar, durften aber nur in ihrer Sprache antworten. Die Sprache der Sklaven hatten die Frauen abwertend taki-taki genannt, was so viel wie Bla-Bla bedeutete. Offiziell hieß die Sprache Negerenglisch und klang in Julies Ohren wie eine Abwandlung des Niederländischen, in der einfach Silben vertauscht, Buchstaben weggelassen oder hinzugefügt wurden oder einige Worte durch englische ersetzt wurden. Die Weißen wiederum sprachen diese Sprache nicht, verstanden sie aber. Julie würde also wohl auch Negerenglisch lernen müssen. Englisch hatte sie immerhin im Internat gelernt, und das Lernen war ihr nie schwergefallen. Sie hoffte, auch

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