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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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wichtigen Neuanschaffungen ihren Weg auf ein Schiff nach Europa fand. Sosehr Josefa auf der Überfahrt gelitten hatte, hier entwickelte sie eine erstaunliche Energie.
    Auch in dieser Hinsicht murrten die alteingesessenen Brüder.
    »Wenn ihr dann hier steht, und ich euch nicht behandeln kann, seid ihr selbst schuld«, erwiderte Josefa störrisch.
    »Eigentlich suchen wir in solchen Fällen den Kolonialarzt auf«, beschied ihr Bruder Weinert mit gesenktem Blick.
    Josefa gab ein resolutes Schnauben von sich. »Ah, bei den Sklaven vertraut ihr auf das eigene Können, aber nicht bei euresgleichen? Das Geld wird jetzt gespart, Gott wird uns schon helfen, mit Krankheiten umzugehen.«
    Erika war klar, dass keiner der Brüder sich freiwillig von Josefa behandeln lassen würde. Aber Josefa hatte von diesem Zeitpunkt an in ihrer Krankenstation freie Hand.

Kapitel 3
    Julies Magen rebellierte. Sie war froh gewesen, das nachhallende Wogen der Atlantiküberfahrt überstanden zu haben – und nun hatte Karl sie am Morgen wieder in ein Boot gesetzt. Und dieses war nicht nur klein, es schwankte auf dem Fluss auch bedrohlicher als ein großes Schiff auf dem Meer. Julie beobachtete mit einem mulmigen Gefühl, wie sich die Stadt immer weiter entfernte.
    Sie würden Stunden unterwegs sein. Mit der Flut, wie sie erfuhr, denn wenn die Tide vom Meer in den Fluss drückte, ließ es sich am besten flussaufwärts fahren. Über das Heck des Bootes spannte sich als eine Art Pavillon eine gewachste Plane, unter der man, vor Sonne und Regen geschützt, auf einigen weichen Matten und Kissen sitzen konnte. Diese sogenannten Tentboote waren die einzigen wirklichen Verkehrsmittel außerhalb der Stadt.
    Julie sehnte sich schon bald danach, aufzustehen und sich die Beine zu vertreten, doch das schien ihr in dem unsicheren Gefährt unmöglich. Sie versuchte, die Beine zumindest immer wieder umzulegen, aber bald schmerzte ihr ganzer Körper. Karl hatte sich neben ihr ausgestreckt und schnarchte schon seit einiger Zeit vor sich hin. An den Ufern zog dichter Tropenwald an ihnen vorbei, hier und da waren Plantagen sichtbar. Der Fluss war aber so breit, dass man außer den Gebäuden nichts erkennen konnte.
    Mittig im Boot saßen Aiku und die zwei schwarzen Burschen und ruderten ohne Unterlass. Manchmal murmelten die beiden Vorderen leise miteinander. Julie beobachtete, wie ihre kräftigen Muskeln gegen das Wasser arbeiteten, ihre glänzende tiefschwarze Haut zeigte nicht einmal ansatzweise Anzeichen von Schweiß. Julie hingegen fühlte sich schon wieder, als wäre sie begossen worden. Ihre Kleidung klebte unangenehm am Körper, und ihre Haare lagen ihr im Nacken wie ein zu warmer, wollener Schal.
    Als sie die Hand ins Wasser streckte, um sich wenigstens etwas Abkühlung zu verschaffen, drehte Aiku sich zu ihr um und schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
    Erschrocken zog Julie die Hand zurück. Gab es im Fluss etwa gefährliche Tiere?
    Sie ließ ihren Blick über das Gepäck schweifen, das zwischen ihr und den Ruderbänken der Burschen lag, bis er vorne im Bug hängenblieb – dort saß zusammengekauert Kiri.
    Meine Sklavin ..., dachte Julie bei sich, wobei sich das Wort Sklavin immer noch unangenehm anfühlte. Darüber schien etwas Böses, Gewalttätiges zu schweben. Und nach dem, was sie bisher in diesem Land erlebt hatte, waren die Weißen zu ihren Sklaven auch nicht wirklich gut.
    Julie hatte es in der Stadt zur Genüge beobachtet. Die Schwarzen waren nichts als zweibeinige Arbeitstiere, die ihrem Herrn folgen mussten wie ein Hund und ihm bei jeder erdenklichen Gelegenheit dressiert zu dienen hatten. Julie fragte sich verwundert, wieso es in der niederländischen Kolonie überhaupt noch Sklaven gab, wo die Sklaverei im Heimatland doch bereits vor fünfundvierzig Jahren abgeschafft worden war. Sie vermutete, dass es etwas mit der Arbeitskraft und dem hier herrschenden Lebensstil zu tun hatte. Außerdem ... wer in Europa interessierte sich schon für eine Horde Schwarzer am anderen Ende der Welt? Solange die feinen Damen ihren Kaffee, ihren Zucker und ihre feine Baumwolle bekamen, war es ihnen zumindest nicht unrecht.
    Karl hatte sie mehr als einmal mürrisch angewiesen, gefälligst kein Mitleid mit diesem Volk zu zeigen. »Neger sind im Allgemeinen faul, dumm und hinterlistig. Man muss sie ordentlich bei der Stange halten, sonst tanzen sie einem auf der Nase herum.« Julie hatte entsetzt erwidert, dass die Schwarzen aber doch auch Menschen seien, woraufhin

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