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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Plastikpuppe Miss Annie . Sie hält sich über Wasser, indem sie für deutschsprachige Magazine schreibt. Geschichten voll blauem Himmel und superviel Spaß. Anders, sagt sie, will man Australien in Europa nicht wahrnehmen. Sie hat eine Reihe von Reportagen in petto, die von einem weniger spaßigen Kontinent berichten. Die wird sie nicht los. Geistige Schonkost ist kein australisches Phänomen, sie wird weltweit verabreicht.
    Zurück in die Stadt, heute findet die Tour durch den injecting room statt. Finanziert wird das Unternehmen von der Stadt. Raucher und Trunkenbolde müssen draußen bleiben, Junkies jedoch sind willkommen. Wir werden von Colette, einer Mitarbeiterin, herumgeführt, eine kleine Gruppe, darunter ein paar Medizinstudenten aus den USA . Das Zentrum ist während des Rundgangs (einmal pro Monat) leer, ohne Patienten. Aus verständlichen Gründen. Wer will sich schon bei seiner Sucht zuschauen lassen. Etwa 230 Süchtige kommen pro Tag.
    Acht Kabinen für je zwei Leute gibt es. Das Personal verteilt Spritzen, einen Löffel, eine Salzwasserlösung, die Abschnürbinde. Das Heroin muss jeder selbst mitbringen. Und es selbst injizieren, dabei darf niemand helfen. Aber beim Suchen der passenden Vene, da darf Hilfe gewährt werden. Der eher trostlose Ort soll lediglich garantieren, dass sich keiner mit einer dreckigen Nadel infiziert. Und für Erste Hilfe sorgen, wenn etwas schief läuft. Im After-Care -Raum kann der Gedopte auschillen und/oder sich in ein Entziehungsprogramm überweisen lassen. Was wenige in Anspruch nehmen. Kaum ein Prozent der Abhängigen will geheilt werden. Und nicht einmal zehn Prozent aller Injecting-Episodes finden hier statt. Noch etwas Seltsames: Hier passieren mehr Fälle von gewollter oder ungewollter Überdosierung als »draußen«. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Fixer darauf vertrauen, im Notfall gerettet zu werden. Noch ist hier keiner zugrunde gegangen. Sicher, das Problem der Beschaffungskriminalität bleibt, nicht ein Gramm Rauschgift bekommen sie von offzieller Stelle zugesteckt. Nur Selbstversorger dürfen rein.
    Eine Stunde später wieder auf der Darlinghurst Road. Nach ein paar Metern werde ich von einem Zittrigen angesprochen, der sich den schmucken Namen »Daddy Longleg« zugelegt hat. Stimmig, denn der Kaputte ist lang und dünn. Wie alle Abhängigen sichtet er fehlerlos die Unabhängigen. Ja, sagt Daddy, er kenne den injecting room , bisweilen drücke er dort auch. Im Augenblick, meint er (man darf vermuten, dass er schon viele solche Augenblicke hinter sich hat), sei er pleite. Um Eindruck zu schinden, zeigt er mir eine (leere) Dose mit der Aufschrift Xanax-Tablets . Ich kenne das Mittel, ein schnell wirkendes Medikament, um Panikanfälle in den Griff zu bekommen. Damit nicht genug, aus der anderen Jackentasche zieht der Magere ein neutrales Schächtelchen mit (noch) drei Pillen, die aussehen wie Aspirin-Tabletten, sagt beiläufig, als stünde ihm ein Apotheker gegenüber: »Oxycodone.« Soweit ich Daddy Longleg, den ziemlich Zahnlosen, verstehe, handelt es sich um ein Opium-Derivat, auch das hilfreich, um angstfreier und heiterer in die Welt zu blicken. (Später werde ich wissen, dass es 1916 zum ersten Mal von Bayer hergestellt wurde. Als Ersatzdroge für Heroinopfer.)
    Ich hole einen Schein heraus. Obwohl ich weiß, dass der 31-Jährige damit nicht, wie ich ihn auffordere, australische Kuhmilch kaufen wird. Wir beide wissen es. Aber ich habe über die Jahre ein immer innigeres Verhältnis zu jenen entwickelt, die sich von den Zuständen der Welt überwältigen lassen. Die sich mittels Nervenzusammenbrüchen oder anderen Fluchtversuchen – Rausch, Rauschgift, Verweigerung – aus dem Staub machen. Hätte ich nicht das Schreiben, das Aufschreiben, um die Irrungen und Niederlagen auszuhalten, ich würde jetzt wie der ehemalige Zoowärter mitten im Großstadverkehr mein Unglück herauslallen und mit dreckig-schorfigen Händen nach den Dollars eines Fremden greifen. Genau so oder so ähnlich. Auf jeden Fall lallen.
    Nicht weit von meinem Hotel gibt es den Spanish Club. Hier hat die Musik noch eine Lautstärke, die man bei robuster Konstitution ohne gesundheitliche Beschädigungen übersteht. Ich gehe ins Hinterzimmer, den Raum voller Pokies , den Spielmaschinen. Hier ist es am ruhigsten, ich will lesen. Wunderbar absurdes

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