Im Land der Regenbogenschlange
Aus Platzmangel. Die Flut besticht sie, ändert aber nichts. Sie will ihr Glück mit B. nicht riskieren.
K. fliegt nach England zu Innes Mutter, will sie als Bundesgenossin gewinnen. Das gelingt, die Mutter ruft die Tochter in Indien an, spricht mit ihr, gibt den Hörer weiter an K. Und der Dummkopf sagt zu dieser starken, unabhängigen Frau, dass er ihre Mutter um Erlaubnis gebeten hat, ihre Tochter zu heiraten. Das war die falsche Rede an jemanden, der ein Leben lang eigenständige Entscheidungen getroffen hat. Sie lässt den Freier wissen, dass sie keine Mutter braucht, um herauszufinden, ob sie jemanden liebt oder nicht. Und legt auf.
K. ist ein Marathon-Mann, er beginnt Briefe zu schreiben. Nicht wie wir anderen Sterblichen, nein, acht, neun, zehn Blätter lange Briefe, vorne und hinten beschrieben, mindestens zweimal die Woche. Und irgendwann erwähnt er wieder, jetzt ohne mütterlichen Beistand, dass er davon träumt, ihr Mann zu werden. Und jetzt, jetzt ja, nach all den Monaten voller Reden am Telefon, nach der monatelangen Blumenschwemme, nach den Tausenden, Abertausenden geschriebenen Wörtern, nach all den Gefühlen, Ahnungen, Möglichkeiten, jetzt sagt sie: »O.k., komm nach Bombay und lass uns reden.« Und K. kommt und überreicht ihr schon im Taxi einen Ring. Den sie nicht annimmt, sie will nüchtern bleiben, will nicht gekauft werden.
Zur Erinnerung: Es geht um eine Frau, die in ein paar Jahren fünfzig wird, die kein Geld hat, bereits Mutter von zwei Kindern ist, durchaus apart erscheint, aber von keinem je mit einem Bollywood-Vamp verwechselt wurde.
Sie reden, nichts als reden. Noch hat nicht der Anflug einer erotischen Annäherung stattgefunden. Das ist keine Liebesgeschichte, das ist ein Märchen aus dem 19. Jahrhundert. (Gestern sah ich eine Anzeige zu Speed-Dating: »Meet your soul mate in five minutes!«) Sinnigerweise wird sie während dieser Tage krank, hohes Fieber, Schüttelfrost, K. weicht nicht, pflegt sie gesund. Jetzt strauchelt sie, der Quantensprung passiert, sie sagt: »Ich kann nicht mit B. reden, das schaffe ich nicht.« Und K., souverän wie ein Filmheld: »Lass mich mit ihm sprechen, von Mann zu Mann.« Und die beiden Männer treffen sich und K. erklärt. Erklärt sich sogar bereit, bei B. ein security money zu hinterlegen, falls er sich als nichtsnutziger Mensch erweisen sollte und seinen Verpflichtungen Inne gegenüber nicht mehr nachkäme. B., auch ein Held, spürt wohl, dass die fünfzehn Jahre Glück zu Ende sind, meint: »Alles, was Inne will, ist gut.«
Am 7. Dezember 1976 heiraten sie, leben in Den Haag, ziehen nach dreizehn Jahren nach Perth. Dort ist es wärmer, auch näher zu Indien, auch praktischer für K., der jetzt vor allem in Australien arbeitet. Die Ehe floriert, Inne ist eine brillante Gastgeberin, hat Geist und Witz, führt das herrschaftliche Haus, organisiert wieder die Abende mit den Freunden, schenkt noch immer reichlich Martinis nach. Bis der Teufel sich meldet und ihr vom neuen Casino flüstert. Und die SchneeweiÃe deutet von unserem Platz im Joker-Café auf einen Roulette-Tisch, wo das Teufelswerk seinen Anfang nahm.
Die Sucht kommt schnell, ohne Zwischenstufen, von Null auf süchtig. Oft jeden Tag. Inne, der Spieltrieb-Junkie, sagt den Satz, den alle sagen, die dabei waren: »Ich konnte nicht anders.« Ein Satz mit Folgen. Die Zweisamkeit gerät ins Schleudern, das Paar schreit sich jetzt an. K. versucht, ihr den Dämon auszutreiben. Erfolglos, natürlich. Trotz dramatischer Szenen, trotz mehrmaliger handfester Evakuierungsversuche, weg von der Kugel, raus aus der Spielhölle. Doch K. verliert nie die Contenance. Inne erwähnt, dass er ihr kein einziges Mal vorgeworfen hat, »sein Geld« zu verbrennen. Nie, seine Wut richtete sich immer gegen den Dämon, war nie die Wut eines Besitzgierigen.
Das geht zwei Jahre, dann sorgt die Hörigkeit für klare Verhältnisse. Sie zerbricht die Ehe, die beiden lassen sich scheiden. K. bleibt der Held, der er immer war, und sie die Frau, die keinem wehtun will. Er besorgt ihr ein Haus, die Einrichtung, das nötige Auskommen. Und sie zockt nicht ab, keilt nicht um mehr, obwohl vom Anwalt dazu angestachelt, unterschreibt die Scheidungspapiere. K., der Mann, der nie allein sein kann, findet eine neue Frau, und Inne S., die jetzt 62-Jährige, findet zurück zum Burswood Entertainment
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