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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Bingara Radiance (Glanz!) Club landen, der neben der Tür die Information angeschlagen hat, dass das ursprüngliche Ziel des Vereins war, »Socken zu stricken und Früchtekuchen zu backen«. Um sie den Männern an der Front zu schicken. (Australische Soldaten kämpften mit den Amerikanern gegen die Japaner.) Will hier jemand einen Film über die 50er Jahre drehen, er könnte sofort anfangen, sogar die Frisuren stimmen.
    Hinter Glas kann man kann man das Neueste lesen, The Bingara Advocat informiert, wöchentlich. Das Allerneueste ist der Bürgermeister, der den Herren Dennis, Grant und Andrew die »Verdienst-Urkunde für zehn bzw. zwanzig Jahre Dienste im Rathaus« überreicht. Die drei sind rund, von Kopf bis Fuß. Und ihr Boss sagt glatt, dass die vielen Jahre nur bedeuten können, dass hier alle glücklich sind. Ist das nicht zum Weinen schön? Nicht ein Hauch Zynismus, nicht ein spöttisches Lächeln, nicht ein Wort, dass die Dicken hier vielleicht ein ruhiges Auskommen gefunden haben, um noch dicker und träger zu werden. Nein, nur die Sonne soll scheinen. So sind sie in Bingara.
    Aboriginesfrei ist das Juwel auch. Zumindest sehe ich keinen, auch nicht auf dem großen Poster über einer Hauswand. Australia remembers , so der Titel, und darunter viele (verschieden farbige) Gesichter, sie sollen daran erinnern, wer den Kontinent aufgebaut hat. Ein dunkles Gesicht ist nicht dabei. Ganz offensichtlich, für Schwarze gibt es in Bingara keine Auszeichnungen.
    Ich wandere aus der Stadt, versuche einen Wagen zu stoppen. Nach wenigen Minuten hält ein junger Mann, der sich als Kevin vorstellt, ein Lehrer. Freundlicher Small Talk, für mehr ist keine Zeit. Nach 15 Kilometern verweist ein Schild auf das Myall Creek Memorial , ich steige aus, gehe ein paar Schritte landeinwärts und bin da. Die Gedenkstätte für Myall Creek ist der Grund, warum ich nach Bingara gekommen bin. Hier kann man was lernen, etwas zur Kenntnis nehmen. Oder nur dasitzen und den Mund halten. Am 10. Juni 1838 wurden nahe dieser Stelle 28 Frauen, Kinder und alte Männer getötet. Aborigines vom Stamm der Wirrayaraay. Aus bloßer Wut, bloßem Hass. Zu Tode gehackt von ehemaligen Kriminellen ( convicts ), die inzwischen frei gelassen worden waren und als Siedler und Landarbeiter das Land »eroberten«. Da standen die Ureinwohner, die Urbesitzer im Weg. Wie in Amerika die »Rothäute«, wie in Südafrika die »Kaffer«, so in Australien die »Menschenaffen«, die »Untermenschen«, die »Nigger«, diejenigen eben, die 50 000 Jahre eher da waren.
    Der von James Cook erfundende Begriff Terra nullius hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Es war kein Niemandsland, da die Engländer von Anfang an auf Aborigines stießen. Als die Eroberer das realisiert hatten, rechtfertigten sie ihr rabiates Vorgehen mit dem Hinweis, dass die Insel »nicht verwaltet, dass keine administrative Struktur vorhanden war«, folglich keine rechtmäßigen Besitzer existierten. Erst zweihundert Jahre und Tausende Leichen später, immerhin, erklärte der Oberste Gerichtshof den Begriff für null und nichtig.
    Auch das Aufstellen der Gedächtnisstätte hat gedauert, sie steht noch nicht lange. (Und wurde bereits geschändet und wieder repariert.) Ein 500 Meter langer, schlangenartiger Weg, heute sacred ground , führt zum Memorial Stone , einem mannshohen Granitblock, mitten auf weißem Grund, der Farbe der Trauer. Schöne Welt, der Geruch der Bäume, die Stille, nur das Flüstern einer leichten Brise. Und der Blick auf ein geschwungenes Land, Farmland, nichts als Natur, nur ein endloser Zaun und am Horizont ein paar Häuser.
    Mit Berichten über Massaker und andere Bestialitäten könnte man in diesem Land ein Wohnhaus tapezieren. Aborigines-Kinder, die von Weißen bis zum Hals in Sand eingegraben wurden, um herauszufinden, wer von den Bluthunden am weitesten den Kopf wegkicken konnte. Männer und Frauen, denen man die Gurgel durchschnitt, um sich am Schauspiel der Schwerverletzten zu ergötzen, die von rasender Todesangst getrieben im Kreis taumelten. Und um jeden, der zusammenbrach, aber noch lebte, ins offene Feuer zu werfen.
    Was Myall Creek so einmalig macht, ist – das klingt barbarisch – nicht so sehr, was mit den Opfern geschah, sondern mit den Tätern. Natürlich gab es zu dieser Zeit auch Menschen ( a Mensch , im

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