Im Land der Regenbogenschlange
Verlagerung der Erdachse das menschliche Bewusstsein heben wird«, sprich, der Planet seiner Rettung entgegenrotiert. Ich kralle mir in den rechten Oberschenkel, vor Glück. Nur Auserwählte kommen in die Nähe von so viel nacktem Wahnsinn.
Gefasst frage ich Rik, warum er nicht selbst ins Therapie-Geschäft einsteige. Ja, schon daran gedacht, aber er fühle sich noch nicht »fully connected«. Da er rauche, ja schlimmer, Drogen nehme. Nun, so redet ein Teil der Freunde. Während die anderen vom Gegenteil überzeugt sind. Gerade weil er ordentlich nach Pillen, Gras und Puder greife, sei er der Mann der Stunde. Ich liebe die Nähe zu Durchgeknallten, beweisen sie doch, dass man so verschieden, so anders auf die Welt, den Weltenlauf schauen kann. Zum Abschied steckt er mir noch drei Hash-Cookies zu. »Zur Wegzehrung«, meint er verschmitzt, »genieÃe jeden dritten Tag ein Päckchen, enjoy!« Ach, Rik, wenn du wüsstest, was sie anrichten werden. Verschmitzt stecke ich sie ein.
Jetzt ist das Hotel offen. Hibiskus leuchtet vor dem Eingang. Ein Querpfosten steht daneben, um die Pferde anzubinden. Gleich hinter der Tür die Bar mit dem rechteckigen Tresen, dem Kamin, den tausend Whiskeyflaschen, der Pinnwand voller Steckbriefe ehemals (?) gesuchter Schurken. Lauter Freunde des Inhabers, den ich hier treffen will. Ich bestelle ein Frühstück und frage Sandi, die Bossin und Ehefrau, ob ich mit dem Berüchtigten sprechen kann. Fünf Minuten später kommt Fred Brophy die Treppe herunter, eher schlank, robust, Mitte fünfzig, ein zerfurchtes Haudegen-Gesicht, ein Held des Outbacks. Ja, er hat noch immer sein boxing tent , zieht seit über dreiÃig Jahren mit einer Riege Boxer über die Lande. Er ist der Letzte in Australien, der den alten Brauch hochhält. Da ich (mit Absicht) erwähne, dass ich über ihn schreiben werde, hat er Zeit. Fred ist eitel, meine Vermutung war richtig. Mit Recht eitel. Er weiÃ, was er hinter sich hat, und jeder Schreiber müsste auf die Knie fallen aus Dankbarkeit für das, was ihm geboten wird.
Fred hat angefangen, seine Biografie zu verfassen, soll heiÃen, er schreibt sie »irgendwie« auf und Sandi ȟberträgt« sie kapitelweise. Er hatte nach fünf Jahren Volksschule keine Lust mehr, trotzdem kann er schreiben, aber nur »nach Gehör«. Statt »Dear Sandi« kritzelt er »deer sandi« etc. Egal, die Götter hatten andere Pläne mit ihm. Er fängt im Zirkuszelt seiner Eltern an, haut bald ab, wird sein eigener Showman, überredet Hausfrauen zum Strippen, reitet auf einem Alligator (der eigens aus Florida eingeflogen wurde, da sie nicht beiÃen, das Publikum aber denkt, der Hasardeur turne auf einem bestialischen Aussie-Krokodil), lernt nebenbei zaubern, zaubert kopflose Ladys, siamesische Zwillinge und den »Indian rope trick« (er wäre der Erste, dem er gelingt, nun, Fred hat auch gelernt, mit Worten zu zaubern), trainiert Mäuse, die um die Wette rennen, führt die Nummer mit den Flöhen vor, denen er bunte Schleifchen umbindet, findet endlich seine Bestimmung und tourt ab 1975 mit seinem Boxerzelt.
Wie zu erwarten, sind die politisch korrekten Nasenbohrer schon auf dem Sprung, um die öffentlichen Keilereien zu verbieten. Der SpieÃer â hier der australische â will, dass es auf der Welt zugeht wie in seinem Ehebett. Geräuschlos und grabesstill wie auf einem Friedhof. Nur noch in Queensland und im Northern Territory darf gekeilt werden.
Fred gibt einen Ãberblick: Ein stabiles Zelt, 15 mal 15 Meter, kein Boxring, die Zuschauer bilden die Seile, umringen die Matte. Bevor das Spektakel losgeht, stellt sich sein knappes Dutzend Preisboxer vor dem Zelt auf ein Podest und Fred posaunt per Mikrofon und Trommel die »Sensation« über den Jahrmarkt. Damit die Draufgänger aus dem Publikum nach vorne treten und gegen einen von Freds Mannen antreten. Sind genug Herausforderer versammelt, wird das Zelt geöffnet, die Schaulustigen strömen, bis zu 250 haben Platz, macht bis zu 2500 Dollar Abendkasse. Fred, the businessman. Das auch noch.
Jeder aus seinem Stall bekommt pro Kampf 60 Dollar, ob er verliert oder nicht. Der Herausforderer erhält für die Runde â drei insgesamt, à eine Minute â 20 Dollar. Natürlich nur, wenn er gewinnt. Und hier liegt der Haken. (Fred kann man nur bewundern, ohne den geringsten Versuch, etwas zu
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