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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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complete stop.« Sie schaut mir dabei in die Augen und realisiert, dass ich zum ersten Mord in Cooks langer Geschichte bereit bin. Sollte sie auf ihrem Sadismus bestehen.
    Abspringen, immerhin Boden unter den Füßen. Die moderne Oase wurde als Depot eingerichtet, um von hier aus die Strecke zu warten. Lebten früher 300 hier, sind es heute noch fünf. Fünf Permanente. In den Bungalow-Schachteln übernachten die durchreisenden Lokführer. Für Güterzüge, vor allem. Direkt im Zentrum haben sie einen Evacuation Point eingerichtet. Für den Fall, dass etwas passiert und die Bewohner sich an einem bestimmten Punkt versammeln müssen. Der Punkt ist überflüssig, hier passiert nichts. Früher ja, zwei Gefängniszellen aus Wellblech, heute leer und verwitternd, sollen daran erinnern. Vielleicht auch nur als Attrappe aufgestellt, um die Besucher zu beeindrucken.
    Die einzige Sehenswürdigkeit ist der Souvenirshop, hier haben sie Witz, hier hängt an der Wand: »Jedes Arschloch, das klaut, bekommt eine Ladung in den Bauch und wird den Adlern zum Fraß vorgeworfen«, noch witziger: »Drei Millionen Fliegen können nicht irren, kommt nach Cook«. Die restlichen Lebewesen, so ist zu erfahren, sind ein Hund, zwei Katzen, 14 Hühner und 30 Dingos. Die Verkäuferin, eine der fünf nach Cook verbannten Zweibeiner, ist redelustig. Die fremden Gesichter geben ihr Auftrieb, standhaft behauptet sie, dass es ihr hier gefällt. In der Bücherecke liegen ein paar Schwarten aus. Das Anlesen der jeweils ersten drei Sätze verweist auf die literarische Flughöhe einer Jacky Collins. Ein Prachtband fällt besonders auf: Arabian Nights – Story of desert passion . Auf dem Cover ein halbnackter Beduine neben der weißen Frau mit üppigem Dekolleté. Man kann nicht einmal ahnen, welche erotischen Gewitter hier durch das Buch, sprich, durch das Beduinenzelt ziehen. Nun, Cook ist ein einsamer Ort, da ist unendlich viel Platz für zügellose Tag-und-Nacht-Träume voll brusthaargeschmückter Araber.
    Die letzten Stunden. Erfreulich immerhin, dass ich nicht weiß, was mich am Ziel erwartet. Ich würde noch kleinlauter dasitzen. Angus erzählt zuletzt die Geschichte von seiner Landung am Melbourner Flughafen, als er aus Europa zurückkam und die Terror-Hysterie wieder einen neuen Höhepunkt erreicht hatte. Er wurde aufgefordert, die Abdrücke beider Zeigefinger abzuliefern. Ohne Ergebnis, der Beamte zu ihm: »You don't have fingerprints.« Worauf Angus ihm erklärt, dass das durchaus möglich sei, denn er habe lange und hart mit seinen Händen gearbeitet. Aber man könne ja seine beiden Mittelfinger versuchen. Und streckt die beiden in die Luft, gemein zweideutig, entweder »Fuck you!« oder »Nehmt doch die!« Worauf ihn der Zöllner aufforderte, sofort die Geste zu unterlassen: »Everything what we do here is recorded.« Angus erinnert mich an meinen dritten Lieblingshelden, Tyll Ulenspiegel. Der hatte auch keine Macht, aber mehr Grips als die Mächtigen, mehr Witz, um sie der Lächerlichkeit preiszugeben.
    Kurz nach 20 Uhr Ankunft in Kalgoorlie, ein paar hundert Kilometer vor Perth gelegen. Ich steige aus. Hier brach 1893 ein gigantischer Goldrausch aus, ich will wissen, wie es hier zugeht. Dunkel und still, zumindest am Bahnhof. Die Straßen sind leer, aber einem der 30 000 Einwohner begegne ich. Er weiß die Richtung, in der er meine Unterkunft vermutet. Kurz nach Sydney habe ich angefangen, schon im voraus telefonisch zu reservieren. Zimmersuche ist in Australien ein Unternehmen für Leute mit Nerven. Das ganze Land scheint ununterbrochen unterwegs, jedes Leintuch grundsätzlich beschlagnahmt.
    Ich komme zur angegebenen Adresse und wundere mich noch, wie sauber und gepflegt das Foyer aussieht, wie teuer für die Hütte, die ich erwartet habe. Bin wohl zu müde, um mich zu konzentrieren. Und so nenne ich der außergewöhnlich gutaussehenden Frau an der Rezeption meinen Namen, verweise auf die Reservierung. Und der schöne Mensch lächelt und meint lässig: »Sorry, Mister Altmann, but this here is a bordello.« Und reicht mir die Visitenkarte. O.k., ich bin im Langtree's-Country-Club-Puff gelandet. Nun, ich will auch lässig sein und frage, was ein Mädchen die Stunde kosten würde. »180«, die klare Antwort. Stillschweigend multipliziert mal zehn – bis zum

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