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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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9-Uhr-Frühstück – macht 1800 Dollar. Ziemlich genau neunzigmal mehr als vorgesehen.
    Wehmütig ziehe ich davon. In solchen Augenblicken habe ich immer denselben Traum: Ich sehe jemanden im Fluss treiben und um Hilfe schreien. Kaltblütig springe ich hinein und rette das Mädchen ans Ufer. Dort ist bereits ihr Vater eingetroffen, der zufällig ein saudischer Ölscheich ist. Folgender Dialog entsteht, er die überglückliche Tochter umarmend, ich noch immer tropfnass, der Scheich:
    â€“ What you want for saving my daughter?
    Ich druckse ein bisschen, scheinheilig schüchtern, dann:
    â€“ I want a Centurion Amex Card.
    Herr im Himmel, wie oft habe ich die Antwort schon geübt. Eine Centurion ist nicht zu schlagen. Die snobistischste Kreditkarte der Welt. Nur wer imstande ist, für eine Viertel Million US -Dollar (Minimum) pro Jahr zu shoppen, erhält sie. Somit wäre mir erspart geblieben, was jetzt losbricht. Denn hundert Meter weiter liegt die Baracke, bei der ich vor drei Tagen angerufen habe, das Golddust Backpackers mit den ungeheuerlich erlogenen und erstunkenen Leuchtschriften: VIP discount und Aircondition und 5-Star-Atmosphere . Jetzt kommt ein Schwinger, auf den ich nicht vorbereitet war. Ich finde irgendwo eine Klingel und läute. Und der viereckige Pete schlurft heran. (An schönen Orten arbeiten die Schönen und an den hässlichen die nicht so Schönen.) Vorauszahlung obligatorisch. Verständlich bei dem Gesindel, das sich hier herumtreibt. Ich bekomme den Schlüssel von #25 und den Code, um die Haustür öffnen zu können, plus Petes Hinweis: »Last bed in town.« Ein grauenhaft wahrer Satz, wie sich bald herausstellen wird.
    Und jetzt der Knock-out. Das Zimmer öffnen und einen Menschenstall betreten. Sechs Betten, je zwei übereinander. Ein säuerlicher Mief im Raum, so ein strenger, schon längst verdunsteter Männerschweiß fährt in die Nase. Keine Klimaanlage und die Fenster lassen sich nicht öffnen. Der vollgerümpelte Fußboden, kaum Platz, um sich auf den neun Quadratmetern fortzubewegen. Offene Rucksäcke und Sporttaschen, eine Gitarre mit drei Saiten, Turnschuhe, aus denen es verdächtig nach wochenlang un-gewaschenen Füßen faucht, CD s, zerbrochene CD s, Kleenex, gebrauchtes Kleenex (man will nicht wissen, wofür), Zigarettenstummel, Werkzeug, Bierdosen, Limonadenflaschen, angebissenes Obst, halbe Hamburger, alte Pommes Frites, Ketchup-Flecken, deutlich markierte Unterhosen, Socken aus dem letzten Jahrhundert, Zeitungen, zerrissene Zeitungen, Zahnbürsten, verschmierte Zahnpasta, zwei umgekippte Aschenbecher.
    Mein Bett suchen. Nicht gleich erkennbar, da alle sechs – muss ich es noch erwähnen? – versifften Matratzen überladen sind mit Schmutzwäsche, grindigen Wolldecken und Handtüchern, verklebt wie in katholischen Priesterseminaren. Ich will Abbitte leisten. Was habe ich früher auf den Neckermann-Touri gespuckt und den Backpacker als den wahren Helden des Reisens ausgerufen. Auch dieser Irrglaube hat sich inzwischen gelegt. Zu oft bin ich Rucksack-Rowdies begegnet, die um ein Uhr nachts die Türen knallen, morgens nicht den Mund aufbringen zu einem freundlichen »Good Morning« und meist verschissene Toiletten zurücklassen. Ich atme vorsichtig, nun denn, ich habe Hinterindien und den mittleren Kongo geschafft, so werde ich auch die Fünf-Sterne-Atmosphäre im Goldstaub-Hotel überleben.
    Zurück in die Stadt irren. Knapp zwei Dutzend Fluchtversuche starten, um dem Übernachten in einem Raum mit fünf anderen VIP s zu entkommen. In achtzehn Hotels und Motels fragen, nothing . Ein hilfsbereiter Hillbilly ruft seinen Kumpel an, der Caravans vermietet, nothing . An einem Zaun hängt eine Tafel mit der Zeile: Zimmer an alleinstehende Herren zu vermieten . Gibt es einen Herren, der gerade alleiner steht als ich? Ich klopfe an, nothing .
    Durch die verlassene, kalte Stadt. Eine rote Leuchtschrift über dem Palace-Hotel informiert über die letzten Ergebnisse der Börse, die letzten Preise für Gold und Nickel. Akkurat die Auskünfte, nach denen ich gerade leidenschaftlich Ausschau halte. Aus den Pubs die dröhnende Lustigkeit all derer, die augenblicklich lustiger sind als ich. Ich finde ein Hungry Jack's , ich esse und muss grinsen: comfort eating , jetzt bin ich mittendrin. Was Warmes in den Bauch laden, um sich weniger überflüssig zu

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