Im Land der tausend Sonnen
Pferd ist ohne Reiter nach Hause gekommen. Alle wissen davon. Wir müssen reagieren: Sucht ihn im Osten, aber nicht auf Meissners Land, auch nicht, wenn es restlos verbrannt sein sollte. Ich schicke noch einen anderen Trupp ungefähr in die Richtung, aber nicht ganz so weit; sie können sich mehr nördlich halten.«
»Und wenn wir ihn finden?«
»Dann bringt ihr ihn her, und wag es nicht, ihm ein Haar zu krümmen.«
Elsie kam in die Küche, als die Köchin gerade die Suppe auftragen wollte.
»Mr Dixon hat mich gebeten, mit dir zu reden, Hanni. Es scheint ein Unglück gegeben zu haben. Im Grunde nichts, worüber du dir jetzt schon Sorgen machen müsstest. So etwas kommt vor …«
»Was ist passiert?«, fragte die Köchin scharf.
»Lukas' Pferd ist ohne ihn nach Hause gekommen.«
»Es hat ihn abgeworfen?«
»Mag sein, muss aber nicht. Vielleicht ist er auch bloß abgesessen, und das Pferd ist ihm ausgerissen. Ohne ihn weitergegangen, könnte man sagen.«
»Also wo ist Lukas?«, fragte Hanni.
»Wahrscheinlich zu Fuß auf dem Heimweg«, sagte Elsie.
»Womöglich hat er ein gutes Stück zu laufen und kommt deshalb spät.«
»Suchen sie ihn?«, fragte die Köchin.
»Ja, natürlich. Mr Dixon hat zwei Suchtrupps losgeschickt, die werden ihn schon finden. Also mach dir keine Sorgen, Hanni.«
Merkwürdigerweise machte sie sich tatsächlich keine Sorgen, jedenfalls nicht so sehr wie beim letzten Mal. Sie dachte sich, dass er sich wohl wieder verirrt hatte, aber dieses Mal ohne Pferd, doch inzwischen kannte er die Farm schon viel besser. Er würde nach Hause finden. Sie hoffte nur, dass er sich beeilte. Mittlerweile mochte sie des Nachts nicht mehr allein in ihrem Zimmer sein.
»Ihm ist bestimmt nichts zugestoßen«, sagte die Köchin, um sie zu trösten. »Aber wenn er nach Hause kommt, ist das Küchenhaus der Männer wahrscheinlich längst geschlossen. Ich mache ihm einen Teller zurecht, Hanni, den kannst du dann mitnehmen in euer Zimmer. Damit er etwas zu essen bekommt.«
»Danke.«
Dann fiel Elsie wieder ein, dass Keith selbst mit einem der Suchtrupps geritten war, und sie gab die Information an die Köchin weiter. »Zum Essen sind wir also nur zu dritt. Gib mir das Tablett, Hanni. Ich trage die Suppe auf.«
Hanni schauderte, als sie das große Tablett übergab. Bei dem Gedanken, dass Mr Keith Lukas suchte, bekam sie plötzlich Angst und hätte ihm gern geholfen.
»Das geht wohl nicht«, sagte sie leise zu sich selbst und zog sich mit einer Entschuldigung ins Anrichtezimmer zurück.
»Oh, Lukas, pass auf dich auf!«
Am Morgen sprach man von einem ausgedehnten Buschfeuer nahe der östlichen Grenze von Clonmel, das allerdings der Farm nur geringen Schaden zugefügt hatte. Von Lukas gab es jedoch noch keine Spur.
J. B. schickte frische Suchtrupps aus, gab einer Gruppe Anweisung, Meissners Land abzureiten und nachzusehen, welchen Schaden das Feuer dort angerichtet hatte, wenn überhaupt, und Meissner zu fragen, ob er Fechner gesehen habe.
»Wenn ihr schon mal dort seid, achtet darauf, ob er irgendwie Hilfe braucht. Sie sind zwar Ausländer, aber immerhin unsere Nachbarn. Wir helfen, wenn wir können.«
»Nett von Ihnen, J. B.«, sagten die Männer und machten sich an die Arbeit. Sie kämmten die Gegend ab, hielten Ausschau nach einem Mann zu Fuß und hörten nicht auf, bis sie das verkohlte Grenzland erreichten. Kopfschüttelnd betrachteten sie die Verheerung.
»Das hier war kein Grasfeuer, Leute«, sagte einer der Männer. »Das war ein ausgewachsener Buschbrand, sag ich.«
Sie ritten in die rauchenden Ruinen des früheren Waldes hinein und saßen hin und wieder ab, um sich genauer umzusehen und die schwelenden Reste auszutreten, aus Angst, der Wind könnte Funken treiben und ein neuerliches Feuer entfachen.
Sie banden sich Tücher vors Gesicht zum Schutz gegen den beißenden, kalten Rauch und die Asche und gegen den alles überlagernden Geruch des Todes, denn die Tiere hatten keine Chance gehabt, dem Inferno zu entkommen. Sie sahen völlig verbrannte Bäume, in deren Ästen noch die
Weitere Kostenlose Bücher